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Nicht ohne meinen Mops

Nicht ohne meinen Mops

Titel: Nicht ohne meinen Mops
Autoren: Silke Porath
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er es ja so schwer hat und seine Rückenschmerzen, all die vielen Zeitungen und dass ich einfach so gerne im Laden bin. Aber all das sage ich nicht, weil in dem Moment der erste Kunde kommt. Herr Koslowski, der Geschäftsführer des Supermarktes, um den herum sich unter einem Dach der Bäcker, Metzger, Schuhreparaturservice, eine kleine Apotheke, der Blumenladen und eben unser Tabakgeschäft gruppieren. Wie immer greift Koslowski, die Brötchentüte schon unter den Arm geklemmt und in der linken Hand den Grande Latte to go, nach der BILD-Zeitung, legt wortlos das abgezählte Geld auf den Tresen und tritt gleich darauf den Rückzug in sein Büro an, von wo aus er die Geschicke des Supermarktes und die Kassiererinnen wie Marionetten lenkt.
    »Was willst du also?« Onkel Fritz starrt mich unverwandt an.
    »Moment«, sage ich und verschwinde im Büro. Dort liegt das zusammengerollte Plakat. Ich ziehe das Gummiband ab, entrolle die Pappe und halte es wie ein Schild vor mich, als ich zurück in den Laden komme.
    »Zimmer in WG zu vermieten, 300 € Warmmiete, zentrumsnah«, liest mein Chef vor. Dann meine Handynummer.
    »Könnte ich das aufhängen?«
    »Wieso?« Fritz schnauft und schiebt gelangweilt einen Stapel Lottoscheine hin und her.
    »Na ja, damit jemand anruft?«
    »Hmmm.«
    »Ach, Fritz, jetzt komm schon«, säusele ich und ziehe eine Schnute. Schnute wirkt eigentlich immer.
    »Jetzt mal von Anfang an, Mädchen«, brummt Fritz und hievt sich auf den Barhocker hinter dem Tresen. Die Jeans Größe Dreimannzelt spannt sich über seinen Schenkeln. »Du willst also umziehen?«
    »Jaaa«, antworte ich und wedle mit dem Plakat. »Fritz, ich muss aus dem Loch raus. Als Azubi war das ja noch okay, aber jetzt? Ich krieg da keine Luft mehr, Cannstatt ist nicht gerade der Nabel der Welt und wenn du die Wohnung gesehen hättest, den Stuck an den Decken und Fenster bis zum Boden, das Parkett …« Ich rede mich in Fahrt und fünf Minuten später hat mein Chef eine virtuelle Wohnungsbegehung hinter sich.
    »Die Wohnung hat nur einen Haken – sie ist für mich allein zu teuer.«
    Einen Moment lang herrscht Schweigen. Draußen flitzen die ersten Hausfrauen mit ihren Einkaufswägen vorbei. Ein Muttchen dreht den Ständer mit den Postkarten, der vor dem Kiosk steht. Die Ansichtskarten mit zehn Jahre alten Fotos vom Landtag, der Staatsgalerie und dem Fernsehturm sind unsere Ladenhüter. Mit Abstand. Fritz macht mit Daumen und Zeigefinger das Zeichen für Penunze, Kohle, Steine und zieht die Augenbrauen hoch.
    »Nein, natürlich will ich keine Gehaltserhöhung«, versichere ich im Bruchteil einer Sekunde und setze wieder mein Schnutengesicht auf. Fritz nickt zufrieden. Die letzte Gehaltsverhandlung vor drei Monaten endete mit Tränen bei mir und einem Wutanfall bei ihm.
    »Das Plakat kannst du trotzdem nicht aufhängen.«
    »Wie bitte?« Ich sehe meine Hoffnung schwinden. Wenn ich jetzt noch eine Anzeige schalten muss, ziehen wertvolle Tage ins Land und dann …
    »Ja, also das ist doch total nichtssagend und wenn du möglichst heute noch Klarheit willst, dann muss ein ordentliches Plakat her.« Fritz hievt seine geschätzten 120 Kilo vom Hocker, verschwindet im Büro und kommt mit einem quietschgrünen Werbeplakat von der Lottogesellschaft wieder. Das Ding passt genau in den Aufsteller, den Fritz in der Passage platziert hat. Er dreht das Plakat um, sodass die Lottowerbung nicht zu sehen ist. Dann fummelt er aus der Lade neben der Kasse einen schwarzen Edding. Ich knispele nervös an meinem Plakat.
    »Du magst zwar eine passable Arzthelferin gewesen sein und eine halbwegs talentierte Verkäuferin, aber von Werbung hast du keine Ahnung«, knurrt Fritz schließlich und hält das Plakat in die Höhe. »Und das hängst du jetzt auf!«
    »Wow!« Auf apfelgrünem Untergrund prangt eine von Fritz gemalte Haustür mit Löwenkopf-Klingel. Darunter steht: ›Nur heute: Dein Traumzimmer in der schönsten Altbauwohnung Stuttgarts! Top Lage, 20 Quadratmeter Luxus für nur 300 € Warmmiete. Die Ersten ziehen ein!‹
    Fritz legt den Kopf schief. Aus meiner Schnute wird ein breites Grinsen.
    »Wow«, sage ich noch einmal.
    »Tja, gelernt ist gelernt«, lacht Fritz und ich erinnere mich, dass er in einem früheren Leben mal Grafiker war, bis ihm der tägliche Terror in den Werbeagenturen in den schmucken Villen rund um die Villa Reitzenstein auf den Keks ging. Jetzt verkauft er die Zeitschriften mit den Anzeigen, die seine ehemaligen Kollegen auf
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