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Nicht ohne Beruf (German Edition)

Nicht ohne Beruf (German Edition)

Titel: Nicht ohne Beruf (German Edition)
Autoren: Thea Derado
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nur zu langweilig, um noch la nge leben zu wollen.
    Doch von Zeit zu Zeit, wenn ein Tag une rwartet  ausgefüllt ist, dann lebt sie auf.
    Jetzt in der Urlaubszeit rollen die Horden gen Süden und passieren Mü nchen.
    Großnichte Kerstin und Mann haben sich telefonisch angemeldet. Auf dem Weg ins Stubaital wollen sie doch gern mal kurz reinschauen.
    Leni ist ja arg bange , sich mit Besuch zu unterhalten, da sie immer schlechter sprechen kann und viele sie nicht verstehen können. Doch auch ich möchte Kerstin nach langer Zeit wieder einmal sehen.
    Es ist ein recht lockeres Beisammensein. Nach anderthalb Stunden fahren sie weiter gen Süden. Es soll ihre letzte Begegnung mit ihrer Großtante Leni sein.
     
    Es ist ein Sonntag und somit noch Canasta-Spielnachmittag. Die Ruhezeit wird ein wenig verkürzt. Schlagsahne ist  schnell geschlagen. Um 14 Uhr geht es an die Karten und 18 Uhr fahren die Damen wieder heim.
    Am Abend kommt auch Enkelin Tanja mit Familie zum gemeinsamen Abendbrot.
    Ach, wie glücklich ist unsere Romi über diesen ausgefüllten Tag.
    „So hält man triste Tage leichter aus!“
     
    Bisher reichte es Mutti, dass ich sie zum Ärztehaus brachte. Heimzu schaffte sie es langsam mit ihrem Rollator noch allein.
    Als ich sie nach dem Besuch beim Orth opäden frage, ob ich sie auch nach Hause fahren soll, strahlt sie vor Erleichterung: „Ach, das wäre aber sehr lieb!“
    Von Woche zu Woche wird sie kraftloser.
     
    Bei Muttis Anblick werden sogar die Ärzte ehrlich. Mutti hofft, mit elektrischer Behandlung könne man noch etwas am Zustand ihrer Beine verbessern. Der Orthopäde meint, er könne ihr so etwas verschreiben. Aber um zu sechs Anwendungen zu fahren oder sich von mir fahren zu lassen, das kostet sie mehr Kraft. Und wirklich helfen würde es auch nichts.
    Der Neurologe im Herbst vermutete Lat eralsklerose. Wegen prominenter Fälle, wie den Physiker Stephen Hawking oder den Maler Jörg Immendorf, ging es unterdessen durch die Medien.
    ALS ist eine von einem niederen Hir nstamm ausgehende Verkümmerung der motorischer Nervenendigungen.
    Mein unterdessen angelesenes Wissen, dass ALS unheilbar sei, habe ich Mutti nicht mitgeteilt.  Das finde ich zu brutal, mit einem Schlag den letzten Funken Hoffnung auszutreten. Mögen andere ihr das sagen. Meine Aufgabe sehe ich darin, Muttis Mut zum Weiterleben zu stärken.
    Die ALS erklärt auch die undeutliche Sprache und die Schluckbeschwerden. Dennoch gehen wir auf Muttis Wunsch auch noch zum HNO. Auch er kann nichts tun.
     
    Ich muss einmal raus, auslüften und fahre Anfang August  zu unserer Ferienwohnung im Voralpenland.  Zuvor noch bei Mutti vorbei, um sie mit Lebensmitteln zu versorgen.
    Als es bei Mutti von unten läutet, vermutet sie, ich  hätte  keinen Schlüssel mit, und drückt auf den Türöffner.
    Wie ist sie überrascht, drei Hochgewachsene vor sich zu haben! Eine weitere Enkelin ihrer Schwester Dora aus Sachsen mit Mann und Sohn. Alle wissen, dass es mit Mutti langsam aber sicher dem Ende zugeht. Jeder Besuch ist zugleich ein Abschied auf Nimmerwiedersehen.
     
    Obgleich ich Handys überhaupt nicht mag, habe ich mir nun eines angeschafft. Die Ferienwohnung hat keinen Telefonanschluss. So kann sich Mutti alle Tage melden, um zu verkünden, dass sie wohlauf ist. Sogar auf dem Berg kann sie mich erreichen, wenn es sein muss.
     
    Um an den Briefkasten zu kommen, muss sie vom Lift  noch drei Stufen hinabsteigen. Eines Tages schafft sie die nicht mehr! Verzweifelt setzte sie sich auf die Stufen.
    Zwei junge Damen aus der 1. Etage ko mmen heim und wollen ihr auf die Beine helfen. Das geht nicht, die Beine knicken immer wieder weg wie Streichhölzer. Mit Hilfe des Hausmeisters gelingt es, Mutti auf dem Rollator bis in die Wohnung an ihr Sofa zu schieben.
    Oh, ist unsere Romi froh, diesen Hafen e rreicht zu haben!
    Der Hausmeister ist wohl der Meinung, sie sei verletzt.
    Sie beteuert zwar: „Nein, keinen Arzt!“.
    Doch dann steht plötzlich der Notdienst da! Mühsam klärt sie  ihn über ihre Lage auf. Da sie keine Schmerzen hat, ziehen die Sanis rasch wieder ab.
     
    Sie riskiert nun nichts mehr und geht nicht mehr aus der Wohnung. Mühe macht es bereits, auf den Balkon zu kommen.
    „Alles Scheiße!“, lässt sie jetzt öfters h ören. Früher undenkbar!
     
    Über Jahrzehnte hat Mutti geglaubt, sie würde wegen ihrer diversen Herz-Macken eines Morgens nicht mehr aufwachen und feststellen, dass sie tot ist. Ohne vorher auf fremde Hilfe
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