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0098 - Im Labyrinth der grünen Henker

0098 - Im Labyrinth der grünen Henker

Titel: 0098 - Im Labyrinth der grünen Henker
Autoren: Walter Appel
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Über dem Platz wurde es finster. Ein kalter Wind fauchte und heulte und fachte die Flammen an, die den hölzernen Altar verzehrten.
    »Ogun!« rief der Oberpriester fassungslos und jammernd. »Was tust du, Ogun? Haben wir dich erzürnt?«
    Ein Zischen wie von tausend Schlangen ertönte in den Wolken. Dann sprach eine Stimme, die wie Donner grollte.
    »Betet nicht mehr den Ogun an, den falschen, gestürzten Götzen! Verachtet den Bara und die Meerhexe Jara! Cumbacho sei von nun an euer Gott, der dreiflügelige Drache! Wehe, wenn ihr euch ihm nicht unterwerft!«
    Die Menge jammerte. Plötzlich, als sei eine Schleuse gebrochen, stürzten Wassermassen aus den finsteren Wolken. Eiskalt war das Wasser. Hagelkörner, so groß wie Taubeneier, prasselten nieder und trafen die entsetzten Menschen wie Faustschläge.
    Die Flammen des brennenden Altars sanken rasch nieder. Gestank von kaltem Rauch und verschmortem Fleisch breitete sich aus. Einer der Gehilfen führte den Oberpriester weg, dem der niederzuckende grelle Blitz die Netzhaut zerstört hatte.
    Er würde nie mehr sehen können. Fassungslos preßte er die Hand vor die Augen und stöhnte und jammerte zu Ogun. Aber der oberste Macumba-Gott hörte ihn nicht.
    ***
    Das Ogun-Fest in Sao Paulo hatte um die Mittagszeit stattgefunden. Am späten Nachmittag opferten weiter unten im Süden, an einer Wegkreuzung in der Nähe der Stadt Ponta Grossa, Macumba-Anhänger dem Gott Bara. Er war der Gott der Straßen und Wege, der Beschützer der Reisenden.
    Er mußte regelmäßig Opfer von gerösteten Maiskörnern, einem roten Tuch und einem toten Hahn erhalten, der nicht zu alt sein durfte. Sonst rächte sich Bara, statt seine schützende Hand über die reisenden Macumba-Anhänger zu halten.
    Etwa hundert Menschen hatten sich an der Kreuzung zusammengefunden. Sie wollten entweder selbst eine Reise unternehmen, oder sie baten um Baras Gunst für Angehörige oder Freunde. Es handelte sich meist um Männer und Frauen. Kinder befanden sich nur wenige in der Menge. Der Macumba-Priester, der das Opfer vornehmen sollte, war niederen Ranges.
    Der Dschungel schob sich fast bis an die Wegkreuzung heran. Die Macumba-Anhänger blockierten sie; es war kein Durchkommen mehr. Die Macumba hatten ein hölzernes Kreuz aufgerichtet, denn ihr Glaube verwendete christliche Symbole ebenso wie heidnische Ein klappriger Omnibus näherte sich von Osten, ein Lastwagen von Norden. Beide Fahrzeuge stoppten. Der Omnibusfahrer hupte ungeduldig. Der Lastwagenfahrer, ein großer Mestize, sprang aus dem Wagen, als er sah, was vorging, und riß sich die speckige, ehemals weiße Mütze vom Kopf.
    Auch er War ein Macumba-Mann, und er wollte Baras Wohlwollen nicht verscherzen. Sonst lief er Gefahr, so glaubte der Lastwagenfahrer, daß ihm die Achse brach oder daß sein Wagen einen Kolbenfresser kriegte. Eine Reifenpanne war das mindeste, auf das er sich gefaßt machen mußte.
    »Bara, Herr der Wege«, sangen die Macumba-Anhänger, »schütze uns. Hilf uns auf Reisen und bewahre uns vor Mühsal und Plagen, daß wir unser Ziel heil und gesund erreichen. Wir bitten dich, großer Bara, für uns und unsere Angehörigen.«
    »Bara!« rief der Priester, der wie die Gläubigen normale Straßenbekleidung trug. »Sieh hier deine Opfer!«
    Er deutete auf die aufgehäuften Maiskörner, das rote Tuch und den Hahn, dem der Kopf umgedreht war. Da raschelte es im Unterholz. Aus den blühenden Hibiskus- und Oieandersträuchern, die unter den hohen Bäumen wuchsen, traten zwei Gestalten in grünen Umhängen.
    Kapuzen bedeckten ihre Schädel. Sie hielten die Köpfe gesenkt, daß man ihre Gesichter nicht sehen konnte. Schnell durchschritten sie den Straßengraben und erreichten den Priester, einen jungen Neger mit weißem Leinenanzug.
    Bevor er noch reagieren konnte, trat der eine Grüngekleidete den Haufen Maiskörner auseinander. Der andere packte den Hahn und das Tuch. Er warf beides hinter sich in den Wald.
    »Ihr lästert Bara!« rief der Macumba-Priester. »Das soll euch schlecht bekommen!«
    Drohend drängten ein paar Männer in der Menge nach vorn. Fäuste wurden emporgereckt. Messer blitzten.
    »Bara ist ein erbärmlicher Wurm, den Cumbacho zertreten wird«, sagte der eine Grüngekleidete mit hohler Stimme. »Du als sein Diener sollst gleich zur Hölle fahren!«
    »Schlagt die Kerle tot, sonst wird uns Baras Zorn treffen!« rief ein Mann aus der Menge. »Was fällt den beiden Halunken ein?«
    Weitere Haßschreie gellten auf. Da
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