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Nicht ohne Beruf (German Edition)

Nicht ohne Beruf (German Edition)

Titel: Nicht ohne Beruf (German Edition)
Autoren: Thea Derado
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Verkehrsvorschriften und fahren über den Fußgängerbereich bis nahe zum U-Bahn-Lift. Die paar Schritte schafft sie mit dem Rollator allein, während ich einen Parkplatz suche. Am Odeonsplatz vorn raus, per Lift zum Sperrengeschoss, dort auf der linken Seite mit dem nächsten Lift zur Oberfläche. Der landet etwas versteckt unter den Arkaden vom Hofgarten.
    Dann setze ich die liebe Romi auf dem Rollator auf das mitgebrachte Kissen. Beim ersten Mal hatte sie nämlich nicht nur einen strapazierten Steiß, sondern auch fast eine Gehirnerschütterung bekommen. Nun geht die wilde Fahrt zur Belustigung all der Passanten durch die Residenzstraße.
    „Oma-Ralley“ meinte einer, als er uns sah!
    So eine Rundreise, gerechnet von mir daheim, bis ich die Romi auf ihrem Sofa und mein Auto wieder in der Garage zur Ruhe betten kann, dauert jeweils ca. vier Stunden.
     
    Die Anfahrt zu den Operationsräumen zwischen Marienplatz und Viktualienmarkt ist noch viel komplizierter. Dafür muss man nämlich mit dem Auto mitten hinein in die Fußgängerzone.
    Beim Umherirren mit dem Auto stieß ich in einer Seitenstraße vom Tal auf ein Polizistenpaar und ließ mich vom „Freund und Helfer“ beraten: Bis zum Mittagslä uten darf man zum Anliefern auch gegen alle Verbote vom Tal zum Viktualienmarkt, dann hinein in die Touristen zum Alten Peter. Am Lieferanten-Eingang von Café Richards hievt man dann die Urgroßmutter aus dem Auto und liefert sie im 4. Stock ab. Ach nein, vorher muss der Lieferant erst noch irgendwie durchs Lokal zum dritten Stock, um die Patientin anzumelden, sonst kommt sie im 4. Stock nicht aus dem Lift. Und dann muss man ganz schnell das Auto wegfahren, in eine Tiefgarage oder auf den Mond. Hauptsache weg.
    Für alle Fälle habe ich mir den Namen der Polizistin vom 11. Bezirk aufgeschrieben, und lege die Notiz ins Fenster meines wild abgestellten Autos. Muttis Schwerbesch ädigten-Ausweis daneben – und noch eine Reklame der Augenklinik. Wenn das nicht das Mitleid aller Gesetzeshüter weckt, müssen die ja Herzen aus Stein haben!
     
    Nach reichlich eineinhalb Stunden kann ich dann meine noch völlig benommene Mutti wieder abholen.
    „Ich habe gar nichts mitgekriegt“, sagt sie. Mit der Augenklappe sieht sie aus wie ein verwegener Pirat.
    In den Wochen mit einem guten und einem trüben Auge war das Hinschauen und Lesen noch bisschen blöd. Doch die Hoffnung auf ein sehenswertes Leben trug.
    Nach der erfolgreichen zweiten Operation und letzten Nachkontrolle war Mutti auf der Heimfahrt so begeistert, die Umwelt wieder optisch wahrzunehmen. Sie konnte an den Bäumen wieder einzelne Blätter sehen. Wir legten gleich eine  kleine Stad trundfahrt ein.  Durch die Maximilianstraße und rundherum ums Maximilianeum.
    Der goldige Engel des Friedens leuchtete herüber.
    "Hier war ich aber lange nicht!"
     
    Das haben wir uns flotter vorgestellt, dass Mutti wieder lesen kann! Noch sechs Wochen soll es dauern, weil sich das Auge noch verändert.
    „Die haben keine Ahnung, was sechs Wochen in meinem Zustand b edeuten. Das ist vielleicht alles, was ich noch habe!“
    Zu den OP-Vorbereitungen gehörte auch noch röntgen, EKG und die Erfassung der Blutwerte. Uns wird nicht langweilig.
    Nochmals: Was machen alte Leute, die keine fürsorgliche Tochter haben?
     
    Da man nie weiß, wie lange es mit unserer Romi, Lara sagt ‚meine ticktack-Oma‘, noch einigermaßen gut geht, kommen Thomas  und seine Tochter  von Hamburg. Sie bleibt etwas distanziert zu der gebrechlichen Greisin, mit der sie sich auch so gar nicht unterhalten kann.
    Später berichtet Lara: „Dann war ich mit der schönen Omi bei der alten Omi“.
    Hach, das ist Honig in meinen Ohren.
     
    „Das geht aber langsam mit dem Sterben“, beschwert sich Romi’ zum wiederholten Male.
    „Na, das kommt schon noch. Hast du Angst, dass dich Gevatter Hain vergisst? Gehen wir getrost davon aus, dass du nicht der erste Mensch sein wirst, der unster blich ist. Wir kommen alle mal dran.
    W enn du jetzt neue Augen bekommst, wäre es doch fair, zu warten, bis die sich amortisiert haben. Sonst verlangt womöglich die Kasse von uns die Kosten zurück. Bald kannst du wieder Fernsehen.“
    Ausgerechnet da kriegt der funkelnage lneue Flachbildfernseher eine Macke und das Bild fällt aus. Auch das noch!
     
    Je stärker ihre Fähigkeiten nachlassen, um so deutlicher wird ihre Lust zum Sterben.
    Mitunter habe ich den Verdacht, Mutti ist es wegen der wegbrechenden sozialen Kontakte
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