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Gluehende Dunkelheit

Gluehende Dunkelheit

Titel: Gluehende Dunkelheit
Autoren: Gail Carriger
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1

Wofür
sich Sonnenschirme eignen
    M iss Alexia Tarabotti amüsierte sich nicht. Abendliche Tanzveranstaltungen im privaten Kreis waren für alte Jungfern bestenfalls leidlich unterhaltsam, und die unverheiratete Miss Tarabotti galt mit ihren sechsundzwanzig Jahren zwar als solche, konnte jedoch so einer Gesellschaft nicht einmal ein Mindestmaß an Vergnügen abgewinnen. Um dem Ganzen noch das Sahnehäubchen aufzusetzen, wurde sie, als sie sich in die Bibliothek zurückzog, ihren bevorzugten Zufluchtsort in jedem Haus, von einem Vampir überrascht.
    Finster starrte sie den Blutsauger an.
    Dieser hingegen schien seinerseits das Gefühl zu haben, dass sein Ballabend durch ihr Aufeinandertreffen gerade unermesslich bereichert wurde. Da saß sie, ohne Begleitung, in einem tief ausgeschnittenen Abendkleid.
    In diesem speziellen Fall allerdings war es so, dass Unwissenheit nicht vor Schaden schützte, denn Miss Alexia war ohne Seele geboren worden, was sie, wie jeder anständige Vampir guten Blutes wusste, zu einer Dame machte, der man tunlichst aus dem Weg ging.
    Dennoch löste er sich finster wabernd aus den Schatten der Bibliothek und kam mit gebleckten Fangzähnen auf sie zu. In dem Augenblick jedoch, als er Miss Tarabotti berührte, wirkte er mit einem Mal gar nicht mehr finster.
    Er stand einfach nur da, die schwachen Klänge eines Streichquartetts im Hintergrund, und tastete dümmlich mit der Zunge nach Fangzähnen, die er urplötzlich auf unerklärliche Weise verlegt zu haben schien.
    Miss Tarabotti war nicht im Geringsten überrascht. Übernatürliche Fähigkeiten wurden durch Seelenlosigkeit stets neutralisiert. Sie bedachte den Vampir mit einem äußerst ungehaltenen Blick. Natürlich hielten sie die meisten Tageslichtler für nichts anderes als eine typische englische Pedantin, aber dieser Mann hätte sich zumindest die Mühe machen sollen, das offizielle Abnormalitätsverzeichnis für Vampire in London und Umgebung zu lesen.
    Der Vampir fand seine Fassung bald wieder. Rückwärts gehend wich er vor Alexia zurück und stieß dabei einen in der Nähe stehenden Teewagen um. Nachdem der Körperkontakt mit ihr unterbrochen war, erschienen seine Fangzähne wieder. Offenbar war er nicht gerade der Hellste unter den Finsterlingen, denn er hechtete sogleich wieder auf sie zu, mit dem Kopf voran wie eine Schlange, um erneut zu einem Biss anzusetzen.
    »Ich muss schon sagen!«, ermahnte Alexia ihn tadelnd. »Wir wurden uns noch nicht einmal vorgestellt!«
    Noch nie hatte ein Vampir versucht, Miss Tarabotti zu beißen. Natürlich kannte sie den einen oder anderen vom Hörensagen und war mit Lord Akeldama befreundet. Wer war nicht mit Lord Akeldama befreundet? Aber kein Vampir hatte je den Versuch gewagt, von ihr zu trinken!
    Deshalb sah sich Alexia, die Gewalt zutiefst verabscheute, dazu gezwungen, den Schurken in die Nasenlöcher – einer empfindlichen und demzufolge schmerzhaften Gegend – zu greifen und ihn auf diese Weise von sich wegzuzerren. Er stolperte über den umgestürzten Teewagen, verlor auf für einen Vampir erstaunlich ungraziöse Weise das Gleichgewicht, stürzte zu Boden und landete mitten auf einem Teller mit Siruptorte.
    Darüber war Miss Tarabotti zutiefst bekümmert. Sie hegte eine besondere Vorliebe für Siruptorte und hatte sich schon darauf gefreut, genau jenen Tellervoll zu verspeisen.
    Entschlossen griff sie nach ihrem Sonnenschirm. Es war fürchterlich geschmacklos von ihr, auf einer Abendveranstaltung einen Sonnenschirm bei sich zu tragen, doch Miss Tarabotti ging kaum jemals ohne ihn irgendwohin. Er war ganz nach ihren eigenen Vorstellungen gestaltet: eine Kreation aus schwarzen Rüschen mit aufgenähten Stiefmütterchen aus violettem Satin, einem Gestänge aus Messing und einer silbernen Spitze, die mit Schrotkugeln beschwert war.
    Sie hieb dem Vampir damit auf den Kopf, während dieser versuchte, sich aus seiner frisch eingegangenen intimen Beziehung mit dem Teewagen zu lösen. Die Schrotkugeln verliehen dem Messingschirm gerade genug Gewicht, um ein herrlich befriedigendes Donk zu erzeugen.
    »Manieren!«, belehrte ihn Miss Tarabotti.
    Der Vampir heulte vor Schmerz auf und setzte sich erneut rücklings in die Siruptorte.
    Diesen Vorteil nutzte Alexia und ließ einen heftigen Stoß zwischen seine Beine folgen. Sein Geheule kletterte eine Oktave höher, und er krümmte sich in embryonaler Stellung zusammen. Miss Tarabotti war zwar eine anständige englische junge Dame, einmal davon
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