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Nicht die Welt (German Edition)

Nicht die Welt (German Edition)

Titel: Nicht die Welt (German Edition)
Autoren: Karsten Krepinsky
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einige Schritte zurück. Kurz vor ihm brach der Heckenschütze zusammen. Der junge Mann sah, dass dieser einen modernen Schutzanzug mit eigener Sauerstoffversorgung trug, der für ihn selbst unerschwinglich gewesen wäre. Er zögerte kurz, bevor er sich über ihn beugte und ihm langsam den Schutzhelm abzog, der offensichtlich in großer Eile angelegt worden war.
     
    Der Heckenschütze war bewusstlos und atmete ruhig. Der junge Mann kannte ihn aus Neustadt. Langsam hob er die Pistole und zielte auf seinen Kopf. So verharrte er eine ganze Weile, ohne dass ein Schuss fiel. »Das, was du bist, werde ich niemals sein«, sagte er schließlich und senkte die Waffe. »Ich mag vieles sein, manchmal alles zur gleichen Zeit, niemals werde ich aber euer Mörder sein.« Als er die Pistole ohne hinzusehen zur Seite warf, hörte er nicht, wie sie zu Boden fiel. Behutsam legte er das Geld aus seiner Innentasche auf die Brust des bewusstlosen Heckenschützen. Plötzlich stand jemand mit einem Gewehr vor ihm. Der junge Mann erschrak, ging einen Schritt zurück, stolperte über das Kabel und fiel rückwärts in die breite Öffnung. Was? Ein Wächter?, dachte er.
     
    10 Meter waren es noch bis zum Boden der Arena. Ob ich immer noch eine Eins bin?, fragte sich der junge Mann. Ich bin jedenfalls froh darüber, dass ich alles in meiner Macht stehende getan habe, um der Strahlung zu entgehen, auch wenn es im Rückblick sinnlos war. Ich bin kein Mörder, wenn ich es nicht sein will. Und ich will es nicht sein. Das Papier bleibt weiter verschollen. Die Suche danach gab mir Hoffnung. Warum habe ich dich verlassen? Brauche ich die Sehnsucht nach dir? Hoffentlich verstehst du irgendwann, dass ich nicht zurückkommen konnte. Ich liebe dich. Unstetig war sein Verstand von einem Punkt zum nächsten gewandert, doch jetzt war es vollbracht. Er war mit sich im Reinen. Alle Gedanken waren zusammengefasst und gebündelt. Er konnte sie nun ziehen lassen. Die Worte würden vergehen. Er war glücklich.
     
    Der junge Mann schlug mit dem Rücken zuerst auf. Jedoch nicht so hart, wie er gedacht hatte, fast weich. Er wurde gedreht, gezogen, wie eine Puppe umhergewirbelt, Maske und Brille wurden abgerissen, kurz blieb er irgendwo hängen, wurde wieder in die Luft entlassen. Jetzt spürte er einen härteren Untergrund. Danach nichts mehr.

12.
    Ich bin ein Dämon, ein Ritter, ein Erleuchteter. Fürchte mich, liebe mich, verehre mich. Die Stadt lag in voller Pracht vor ihm. In großer Höhe flog er über sie hinweg, geführt von einem fremden Willen. Die Kriegsschäden waren beseitigt worden, überall befanden sich Menschen auf den Straßen. Die Glasfassaden neu gebauter Häuser glänzten in der Sonne. Der Triumphbogen und die Prachtstraße nach Norden waren verschwunden, die Schneise, die durch die Stadt geschlagen worden war, existierte nicht. Langsam verlor er an Höhe, während ein Vogelschwarm unmittelbar an ihm vorbeizog. Die Vögel musterten ihn aufmerksam und akzeptierten ihn als einen der ihren. An der Stelle, wo das Innenministerium mit dem Hauptgebäude liegen sollte, breitete sich ungehindert der Park aus. Er war jetzt auf Höhe der Bäume, berührte das Blätterdach mit seinen Händen, war nun ganz umgeben vom saftigen Grün. Das Viergespann des Steintors glänzte vor ihm in der Sonne. Sanft wurde er abgesetzt und ging mit anderen Menschen zusammen durch das Tor. Sie waren nicht etwa krank und schwächlich, sondern gesund und lebensfroh, sie unterhielten sich und scherzten, alte und junge Menschen vereint. Ein Mann mit ihm vertrauten Gesichtszügen lächelte ihn an, bevor er langsam wieder angehoben wurde, höher stieg und immer höher. Er war frei und seine Stadt mit ihm.
     
    Frühmorgens betrat der alte Wächter sein Zimmer in der Südkaserne. Die Schmerzen in seinem Bein waren endlich verschwunden. Unter der Matratze lagen die Generalschlüssel des Innenministeriums. Nach dem Krieg hatte er bis zur Explosion der Kuppel als einer der Hausmeister dort gearbeitet und sich vor vielen Jahren die Schlüssel aus dem Verwaltungsgebäude des Ministeriums besorgt. Damals nutzten die Wächter das Gelände als Quartier, wenn sie in die Stadt fuhren. Ihm war nicht wohl bei der Vorstellung, die Gebäude des Innenministeriums wieder betreten zu müssen, doch der Schütze musste gestellt werden. Jemand musste ihn aufhalten. An diesem Tag versuchte er, die Belieferung der Türme so schnell wie möglich durchzuführen. Nachmittags fuhr er nach dem letzten Turm
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