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Nicht die Welt (German Edition)

Nicht die Welt (German Edition)

Titel: Nicht die Welt (German Edition)
Autoren: Karsten Krepinsky
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Dicht an der Wand der Wandelhalle schob er sich langsam vor, während er ängstlich den Oberbau beäugte. Einige der kleinen Fenster standen offen und die Gardinen hingen in Fetzen heraus. Hatte sich gerade eben eine der Gardinen bewegt? Oder war das nur der Wind?, fragte er sich. Als er das Hauptgebäude schließlich erreicht hatte, blieb er stehen. Der Oberbau war größer als der Unterbau aus Stein und ragte etwas hervor, so dass man ihn nun vom Dach aus unmöglich sehen konnte. Auf dem Boden lagen vermoderte Aktenordner und die Überreste von Zehntausenden loser Blätter herum. Was er wusste, war, dass während der Plünderungswellen auch die Gebäude des Ministeriums betroffen waren. In Neustadt hatten einige Prozesse Aufsehen erregt, in denen die Täter der Alten Ordnung zur Strecke gebracht wurden. Vermutlich hatten hier Opfer nach Beweismaterial für ihre Qualen gesucht, andere in einem Akt der Verzweiflung die Dokumente der verhassten Behörde zerstören wollen.
     
    Ein Blick an der Fassade entlang offenbarte zudem, dass sich das Gebäude schon um einige Zentimeter gesenkt hatte. In seiner Gesamtheit schien es in den Untergrund zu wandern, ohne jedoch seine Stabilität zu verlieren, denn Risse entdeckte er keine. Am östlichen Eingangsportal angekommen, versuchte er vergeblich, eine der Stahltüren zu öffnen. Da es keinerlei Aussicht gab, die Türen aufbrechen zu können, beschloss er weiterzugehen. Mehr als dreihundert Meter hatte er am Gebäude entlang zurückgelegt, ehe er die Nordfront erreichte. Zu seiner Rechten lag von Bäumen und Sträuchern verdeckt der große See des Idols. Die Türen am nördlichen Eingangsportal waren unglücklicherweise ebenso fest verschlossen. Er wollte schon aufgeben, da bemerkte er eine unscheinbare Stahltür, die unmittelbar hinter einer Säule lag. »Aufgang F«, stand auf der Tür. Tatsächlich konnte er sie öffnen und endlich das Gebäude betreten.
     
    Er befand sich in einem großzügig gestalteten Treppenhaus mit mehreren Fahrstühlen. Nacheinander drückte er die Fahrstuhlknöpfe, doch nichts rührte sich. Warum sollte es hier auch noch Strom geben?, wunderte er sich über seine eigene Torheit und ging langsam die Treppe hinauf. Im ersten Stockwerk sah er ein Hinweisschild. »Zur Arena, Tribüne 1«, stand darauf. Den Heckenschützen vermutete er auf dem Dach, denn dort versteckten sie sich immer in Neuwelt. Somit führte sein Weg weiter nach oben. »Zur Arena, Tribüne 2.« Er wünschte sich, dass die junge Frau bei ihm wäre. Möglicherweise war es keine gute Entscheidung gewesen, sie zurückzulassen, die Gefahr am Steintor womöglich größer als hier. »Zur Arena, Tribüne 3.« Mit einer Hand hielt er sich am Geländer fest, wobei sich sein Blickfeld zunehmend verengte und er am Ende nur noch die Stufen aus Stahlbeton vor sich wahrnahm. Weiter und immer weiter ging er hinauf, bis die Treppe vor ihm auf einmal blockiert war. Schreibtische, Stühle und weitere Einrichtungsgegenstände versperrten verkeilt ineinander und aufgetürmt übereinander den weiteren Weg nach oben. Hier gab es für ihn kein Durchkommen. Eine der Fahrstuhltüren auf diesem Stockwerk stand einen Spalt offen. Dahinter lag der dunkle Schacht. Die Treppenhaustür gleich daneben war nicht verschlossen. Fast wäre er über einen Stuhl gestolpert, der unmittelbar hinter der Tür stand. Er hoffte, dass eine andere Treppe weiter nach oben führte, als er den langen, schmalen Flur vor sich sah.
     
    Hinter einem größeren Saal mit der Bezeichnung 9/3 hatte jemand die Tür zu einem Büro durch einen Vorhang ersetzt. Neugierig zog er den Sichtschutz zurück und erschrak, als er bemerkte, dass sich vor kurzem hier jemand aufgehalten haben musste. Überall auf dem Boden verteilt lagen Unmengen von Konservendosen mit Fleischpastete herum, verschiedene Kleidungsstücke, mehrere Feuerdecken und die zersplitterten Überreste eines Spiegels. Die aus den Angeln gehobene Bürotür hatte einige Dosen unter sich begraben und diese zerquetscht. Versehentlich stieß er mit seinem Fuß beim Betreten des Büros gegen eine leere Flasche mit schwarzer Brause. »Jetzt neu und ohne Zucker«, las er, als die Flasche langsam von ihm weg rollte. Die Wände des Büros waren zerkratzt. Es schien so, als hätte jemand mit den Fingernägeln versucht, den Putz herunterzureißen. Auf einer Seite des Raums standen wohlgeordnet Aktenordner in einem Regal. Der auf dem Bürotisch liegende Ordner enthielt Formularvordrucke zur
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