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Nicht die Welt (German Edition)

Nicht die Welt (German Edition)

Titel: Nicht die Welt (German Edition)
Autoren: Karsten Krepinsky
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getragen wurde. Er fuhr das Fahrzeug in eine Waschstraße, spülte den Fahrerraum mit Wasser aus und stellte den Wagen mit dem Laderaum voran wieder an die Rampe. Auf den verlassenen und verfallenen Gebäuden im Norden der Kaserne ließen sich gerade Hunderte von Krähen nieder. Das zentrale Gebäude war nunmehr das einzige, was sich noch in Benutzung befand. Dort waren die verschiedenen Einrichtungen der Kaserne zusammengefasst worden, um den Wächtern ein Leben weitestgehend ohne Schutzkleidung zu ermöglichen. Die Luft wurde über Filter gereinigt und das Wasser wurde über Rohrleitungen aus dem Süden hierher gepumpt. In der großen Hauptschleuse, in der sich mehrere Reihen mit Duschköpfen befanden, spülte er seine Schutzkleidung ab. Der Melder an der inneren Schleusentür zeigte nur eine geringe Belastung an.
     
    Nachdem er sich umgezogen hatte, suchte er die Kantine auf. Da er während seiner Auslieferungen nichts essen durfte, hatte er sich darauf eingerichtet, ausgiebig zu frühstücken und vor allem das Abendessen zu genießen. Die meisten befolgten diese Richtlinie nicht und aßen auf ihren Versorgungsfahrten im Freien. Die Kameraden seines Alters waren fast alle tot, was natürlich nicht nur an der Stadt und ihrer vergifteten Aura lag, sondern vielmehr auch an den vielen durchzechten Nächten in rauchgeschwängerter Luft. Der Wille zu leben, dieses unbändige Verlangen, ist bei vielen weg, dachte er. Die Langeweile und Monotonie, die wie ein dunkler Schleier über den Wächtern lag, schien ihn viel weniger zu berühren. In der Kantine herrschte wenig Betrieb. Nur einige Wächter saßen an den Tischen, jeder für sich. Der fensterlose Saal war viel zu groß für die wenigen, die hier noch aßen. Früher waren in der Kaserne wesentlich mehr Wächter stationiert, zudem gesellten sich häufig die Besatzungen der Türme zu ihnen. Jetzt fuhren die Wächter in ihrer Freizeit unverzüglich in ihre Häuser in der Südsiedlung. Und in Zukunft sollten nur noch die Menschen, die sich um die Wartung und Pflege der Grenzbefestigungen kümmerten, hier ihren Dienst verrichten.
     
    Nach dem Essen ging der alte Wächter zum Stern, jenem zentralen und mit einer großen Glaskuppel überdachten Platz im Zentrum des Gebäudes, von dem aus alle wichtigen Einrichtungen der Kaserne leicht zu erreichen waren. In der Mitte des sechseckigen Platzes führte eine Treppe nach unten. Im Untergeschoss lagen Kabinen dicht gestaffelt nebeneinander, in denen sich die Digitalfenster der Kaserne befanden. Unglücklicherweise gab es viel zu wenige davon. Er ging zur ersten Tür und blickte durch ein rundes Fenster, das sich auf Kopfhöhe befand. Ein Wächter mit aufgesetzter Haube saß dahinter, tief versunken in die Digitalwelt. Geräusche drangen durch die Tür hindurch bis zu ihm vor, doch das Digitalfenster selbst konnte er nicht sehen. Ungeduldig ging er den langen Flur auf und ab, sah in jede Kabine und überprüfte, ob die Türen verschlossen waren. Gegen eine Stahltür ohne Griff, die sich am Ende des Flurs befand, schlug er mehrmals mit der Faust, ohne dass etwas geschah. Die einzelnen Geräusche, die aus den Kabinen drangen, vereinigten sich zu einem monotonen Ganzen, das dem Summen in einer Bienenwabe gleichkam. Er musste sich die Ohren zuhalten, schritt auf und ab, bis er den immer stärker werdenden Ton nicht mehr ertrug und nach oben flüchtete. Tief atmete er durch, als er sich mit beiden Händen am Treppengeländer festhielt. Der Schmerz in seinem Oberschenkel wurde unvermittelt stärker. Um sich Erleichterung zu verschaffen, ging er in die Turnhalle, die gleich neben den Unterkünften im nördlichen Gebäudeabschnitt lag. Es war ein länglicher Raum mit einer niedrigen Decke, in dem Geräte standen, mit denen man seine Ausdauer und Kraft trainieren konnte. Ganz alleine lief er dort zuerst auf dem Endlosband und benutzte anschließend das Tretrad. Nach einer Stunde verließ er die Turnhalle wieder, um erneut den Stern aufzusuchen. Aufmerksam lauschte er an der Treppe, die nach unten führte. Das Summen schien unverändert zu sein, so dass er sich dazu entschloss, noch ein wenig in seinem Zimmer zu warten.
     
    In einem bequemen Sessel am Fenster hatte er einen guten Überblick über die Kaserne mit ihren verlassenen Gebäuden und den ehemaligen Exerzierplätzen bis hin zum Sperrgebiet. Obwohl das Fenster nicht geöffnet werden konnte und eine Klimaanlage die Aufgabe übernahm, ihn mit gefilterter Luft zu versorgen, war er
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