Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Never Knowing - Endlose Angst

Never Knowing - Endlose Angst

Titel: Never Knowing - Endlose Angst
Autoren: Chevy Stevens
Vom Netzwerk:
verachtet, kann er mit Greg nichts anfangen. Ich habe erlebt, wie er ihn mitten im Satz stehengelassen hat.
    »Seid ihr beide noch eine Weile zu Hause? Ich wollte gerade Ally aus der Schule abholen und kurz bei euch vorbeischauen.«
    »Heute nicht. Deine Mom versucht, sich auszuruhen.«
    »Flackert ihr Morbus Crohn wieder auf?«
    »Sie ist nur müde.«
    »Okay, kein Problem. Wenn ihr Hilfe braucht, lasst es mich wissen.«
     
    Mein ganzes Leben lang war es mit Moms Gesundheit immer auf und ab gegangen. Wochenlang ging es ihr gut, sie hat unsere Zimmer gestrichen, Vorhänge genäht und wie eine Wilde gebacken. Selbst Dad war in diesen Phasen fast glücklich. Ich erinnere mich, wie er mich einmal auf die Schultern gehoben hat, und die Aussicht war ebenso berauschend wie die seltene Aufmerksamkeit. Doch am Ende machte Mom immer zu viel, und innerhalb weniger Tage wurde sie erneut krank. Vor unseren Augen wurde sie immer weniger, weil ihr Körper sich weigerte, irgendwelche Nährstoffe bei sich zu behalten. Selbst wenn sie Babybrei aß, stürzte sie kurz darauf ins Badezimmer.
    Wenn sie mal wieder eine schlechte Phase hatte, kam Dad nach Hause und fragte mich, was ich den ganzen Tag getrieben hätte, als versuchte er etwas oder jemanden zu finden, auf den er wütend sein konnte. Als ich neun war, fand er mich vor dem Fernseher, während Mom schlief. Er zerrte mich am Handgelenk in die Küche, deutete auf einen Stapel dreckigen Geschirrs und nannte mich ein faules, undankbares Kind. Am nächsten Tag war es die schmutzige Wäsche, die ihm nicht passte, und am Tag darauf Melanies Spielsachen in der Auffahrt. Sein riesiger, von der Arbeit kräftiger Körper ragte drohend über mir auf, und seine Stimme vibrierte vor Zorn, doch er brüllte nie und tat niemals irgendetwas, das Mom hätte sehen oder hören können. Er ging mit mir in die Garage und listete meine Verfehlungen auf, während ich auf seine Füße starrte, voller Furcht, er könnte sagen, dass er mich nicht mehr haben wollte. Anschließend sprach er eine Woche lang fast kein Wort mit mir.
    Ich fing an, die Hausarbeiten zu erledigen, ehe Mom dazu kam, blieb zu Hause, während meine Schwestern mit ihren Freunden spielten, kochte das Abendessen, das niemals die Anerkennung meines Vaters fand – aber zumindest sprach er dann mit mir. Ich hätte alles getan, um seinem Schweigen zu entgehen, alles, um zu verhindern, dass Mom erneut krank wurde. Wenn sie gesund war, war ich in Sicherheit.
     
    Als ich an jenem Abend Lauren anrief, erzählte sie mir, dass sie und die Kinder gerade vom Abendessen bei unseren Eltern zurückgekommen waren. Dad hatte sie eingeladen.
    »Also durfte nur mein Kind nicht kommen.«
    »Ich bin mir sicher, dass es nicht so war. Ally hat nur so viel Energie, und …«
    »Was soll das heißen?«
    »Es heißt gar nichts, sie ist einfach bezaubernd. Aber Dad hat wahrscheinlich gedacht, dass drei Kinder zu viel sind.«
    Ich wusste, dass Lauren nur versuchte, mich zu besänftigen, ehe ich mich über Dad ausließ. Sie hasste das, aber es machte mich irre, dass sie niemals sah, wie ungerecht Dad mich behandelte, oder es zumindest niemals eingestand. Nachdem wir aufgelegt hatten, hätte ich beinahe Mom angerufen, um zu sehen, wie es ihr ging, aber dann dachte ich daran, wie Dad mir befohlen hatte, zu Hause zu bleiben. Als wäre ich eine streunende Hündin, die nur auf der Terrasse schlafen durfte, weil sie das Haus schmutzig machen könnte. Ich legte das Telefon zurück in die Ladestation.
     
    Am nächsten Tag füllte ich beim Standesamt das Formular aus, zahlte meine fünfzig Dollar und begann zu warten. Ich würde gern sagen: geduldig, aber nach der ersten Woche fiel ich regelrecht über den Postboten her. Einen Monat später lag meine Original-Geburtsurkunde in der Post. Ich starrte den Umschlag an und stellte fest, dass meine Hand zitterte. Evan war wieder in der Lodge, und ich wünschte, er könnte dabei sein, wenn ich den Umschlag aufmachte, aber bis dahin war es noch eine ganze
Woche
. Ally war in der Schule und das Haus still. Ich holte tief Luft und riss den Umschlag auf.
    Der Name meiner richtigen Mutter lautete Julia Laroche, und ich war in Victoria, British Columbia, geboren worden. Mein Vater war mit »unbekannt« angegeben. Auf der Suche nach Antworten las ich die Geburtsurkunde und die Adoptionsbescheinigung immer wieder, doch die ganze Zeit ging mir nur eine einzige Frage durch den Kopf:
Warum hast du mich weggegeben?
    Am nächsten Morgen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher