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Neues Vom Räuber Hotzenplotz

Neues Vom Räuber Hotzenplotz

Titel: Neues Vom Räuber Hotzenplotz
Autoren: Otfried Preußler
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auskundschaften, bevor er hineinging.
    »Sicher ist sicher«, dachte er. »Wenn ich Glück habe, bin ich morgen ein reicher Mann und kann es mir leisten, die Räuberei an den Nagel zu hängen. Hoffen wir, daß nichts dazwischenkommt!«

Sechsunddreißig  Knöpfe

    Kasperl und Seppel freuten sich, weil mit Hotzenplotz alles so schön geklappt hatte. Sie zweifelten nicht daran, daß er auf ihren Schwindel mit der Flaschenpost hereingefallen war.
    Am Abend ließen sie sich von Großmutter im Spritzenhaus einschließen. Das war notwendig, weil sich das Spritzenhaus nur von außen zusperren ließ. Großmutter zog den Schlüssel ab und wünschte ihnen viel Glück.
    »Gebt acht, daß ihr nicht danebenhaut! Dieser Mensch ist zu allem fähig. Wenn euer Plan nicht so gut wäre, müßte man richtig Angst haben.«
    Großmutter hatte trotzdem Angst um sie, auch wenn sie es sich nicht anmerken ließ. Um auf andere Gedanken zu kommen, machte sie auf dem Heimweg einen Besuch bei Frau Meier von nebenan. Frau Meier bewirtete sie mit Tee und Zuckerplätzchen. Dann begannen die alten Damen zu plaudern, und da sie meist gleichzeitig redeten, wurde es keiner von beiden langweilig. Die Zeit verging ihnen wie im Flug, und als Großmutter endlich aufbrach, war es schon ziemlich spät geworden.

    Bei ihr zu Hause im Wohnzimmer brannte Licht. Herr Oberwachtmeister Dimpfelmoser saß auf dem Sofa. Er hatte sich in die Bettdecke eingehüllt und schien nicht besonders glücklich zu sein.
    »Wo bleiben Sie denn so lange, zum Donnerwetter!«
    »Wieso?« fragte Großmutter.
    »Weil ich längst wieder im Dienst sein könnte, wenn Sie vom Spritzenhaus gleich nach Hause gekommen wären! Da – sehen Sie sich das an!«
    Auf der Kommode neben dem Sofa lag seine zweite Uniform, frisch gereinigt und aufgebügelt.
    »Sie waren kaum weg«, sagte Dimpfelmoser, »da klingelt es an der Tür, und der Lehrjunge von der Reinigungsanstalt steht draußen, mit einem Paket unterm Arm. Eine schöne Empfehlung vom Chef, und weil ich es bin, hätten sie Überstunden gemacht.«
    »Na also!« rief Großmutter. »Wunderbar! Da sehen Sie, was man alles erreichen kann, wenn man den Leuten ein bißchen Dampf macht. Ich verstehe bloß nicht, weshalb Sie noch immer halb nackt da herumsitzen. Wollen Sie sich nicht anziehen?«
    Herr Dimpfelmoser blickte sie traurig an.
    »Die Knöpfe!« sagte er achselzuckend. »Die haben sie in der Reinigung alle abgeschnitten.« – Er zeigte auf eine Papiertüte neben der Uniform. – »Ich hätte sie mir längst angenäht, wenn ich wüßte, wo Sie Ihr Nähzeug haben . . .«
    Großmutter holte das Nadelkissen, den Fingerhut und eine Rolle schwarzen Zwirn von der derben Sorte. Dann nähte sie Herrn Dimpfelmoser die Knöpfe an die Uniform, alle sechsunddreißig. Die Hosenknöpfe zuerst, dann die Knöpfe am Rock: auf der Brust, an den Taschen, den Ärmeln, am Kragen und an den Schulterstücken. Das dauerte seine Zeit, denn Großmutter hielt nichts von schlampiger Arbeit.
    »Ich nähe, so schnell ich kann, und so gründlich wie möglich«, sagte sie. »Schneller geht es beim besten Willen nicht.«
    Endlich saß auch der sechsunddreißigste Knopf an der Stelle, wohin er gehörte. Herr Dimpfelmoser atmete auf. Ruck-zuck war er angezogen. Er setzte den Helm auf und schnallte den Säbel um.
    »Großmutter«, sagte er, sich den Schnurrbart zwirbelnd, »Sie ahnen gar nicht, wie dankbar ich Ihnen bin! Endlich fühlt man sich wieder als ganzer Mensch. Und nun schleunigst ins Spritzenhaus! Hoffentlich haben Kasperl und Seppel dort keinen Murks gemacht, so ein Räuberfang ist bekanntlich kein Kinderspiel!«
    Er stürmte mit langen Schritten davon. Vor der Haustür bestieg er sein Fahrrad und wollte losfahren – da kam Großmutter aus dem Haus gelaufen.
    »Herr Oberwachtmeister!« rief sie. »Herr Oberwachtmeister!«
    »Was gibt's denn? Sie sehen doch, daß ich in Eile bin!«
    »Aber der Schlüssel, Herr Oberwachtmeister! Wollen Sie denn den Schlüssel nicht mitnehmen?«
    »Welchen Schlüssel, zum Donnerwetter?«
    »Den Schlüssel zum Spritzenhaus!«
    »Warum haben Sie das nicht gleich gesagt? Her damit, her damit! Jede Sekunde ist kostbar, auf Wiedersehen!«
    »Auf Wiedersehen, Herr Oberwachtmeister! Alles Gute!«
    Großmutter blieb in der Haustür stehen und wartete, bis das rote Rücklicht im Dunkel der Nacht verschwunden war.
    »Ich finde es ungeheuer beruhigend, daß er Kasperl und Seppel zu Hilfe eilt«, dachte sie.

Immer  hereinspaziert

    Im
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