Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Neue Zeit und Welt

Neue Zeit und Welt

Titel: Neue Zeit und Welt
Autoren: James Kahn
Vom Netzwerk:
Insassen war verhungert. Die anderen verließen fassungslos ihre Zellen und schlichen wie im Traum zu den Türen. Ollie kehrte um und suchte Josh, konnte ihn aber nicht finden.
    Paula, durch den Blutverlust fast tödlich geschwächt, erreichte Jasmine, die soviel Hämo-Öl verloren hatte, dass sie dem Sterben nahe war – und verschloss das Ventil der Neurofrau. Sie trug Jasmine zur Festung hinaus und den halben Weg zum Stadttor, bevor Aba sie sah, beide hochhob und ins Lager der Buchleute zurückflog.
    Und die anderen – die noch lebten – schleppten sich heimwärts, um ihre „Wunden zu pflegen und sich die Frage zu stellen, ob sie gesiegt hatten.

 
Kapitel 20
     
    Die Sieben Tage
     
    J osh spürte undeutlich, dass an seinem Unterkiefer gezerrt wurde, immer wieder, bis daraus ein heftiges Kratzen entstand. Das nächste, was er wahrnahm, war, dass er überall nass war – nass und kalt – und über seine Beine Wasser zu schwappen schien. Dann bemerkte er den Geruch: faulig, stinkend, überwältigend. Schließlich die Last auf seiner Brust – nicht überschwer, aber von Dauerhaftigkeit.
    Er öffnete die Augen. Er sah, dass er im Halbdunkel auf dem Rücken lag. Isis saß geduldig auf seiner Brust und leckte abwechselnd sein Kinn und die Wange. Als er die Augen aufschlug, leckte sie weiter. Er lächelte mühsam und kraulte sie hinter dem Ohr, was sie am liebsten hatte.
    »Hallo, Pelzgesicht«, sagte er mit heiserem Flüstern.
    Sie stieg herunter und setzte sich auf das feuchte Gestein, als er sich aufrichtete und an die Wand sank. Er hatte in einem der Abwasserkanäle unter der Stadt gelegen, halb im rasch strömenden Wasser, halb auf einem nassen, dunklen Sims. Zwanzig Meter flussaufwärts, im Haupttunnel, verbreitete eine trübe Lampe schwaches Licht. Josh atmete tief ein und hustete. Unfassbarer Gestank stieg ihm in die Nase. Er würgte, bis sein Magen leer war.
    Faulendes wurde durch den Haupttunnel geschwemmt – der Abfall der Apokalypse. Verrottende Rümpfe, grinsende Schädel, im Wasser tanzend, wie halb erinnerte Bruchstücke aus einem Alptraum.
    »Was ist geschehen?« krächzte Josh. Er sah aus, als hätte ihn der Tod ausgespien. Seine Augen blickten starr, er blutete aus den Ohren. Schmutz bedeckte ihn, verfilzte seine Haare, klebte an der abgeschürften Haut, an den Fetzen der Kleidung. Das einzig Reine, nicht Verunstaltete an ihm war das Gesicht, das Isis saubergeleckt hatte.
    »Hierrrr«, schnurrte Isis und wies mit dem Kopf in den trockenen Seitentunnel.
    Josh folgte ihr einige Schritte, dann blieb er stehen.
    »Warte«, sagte er. In seinem Gehirn war ein Summen, beinahe ein Heulen.
    Ooooooooooh
    Als wehe Wind durch verlassene Gänge.
    »Hier entlang«, sagte Josh. Er hob Isis auf und stapfte durch den Haupttunnel, knietief in Dreckwasser.
    Oooooooooooooooh
    Josh fand seinen Weg durch das Labyrinth der Tunnels unter der Stadt zielsicher, Isis auf der Schulter.
    Oooooh
    Er erreichte einen der vielen senkrechten Schächte und begann die Eisenleiter hinaufzusteigen. Fünfzig Meter hoch, hundert.
    Oooooooooh
    Er stieg oben heraus und in den dunklen Thronraum. Das Kind lag am Boden, zusammengekrümmt wie ein Fötus.
    »Ooooooooooh«, wimmerte sie.
    Josh kniete vor ihr nieder. Er legte die Hand auf ihre Stirn. Sie war glühend heiß.
    »Ooooooh.«
    Er starrte sie tieftraurig an. Sie hatte hohes Fieber, war fahl. Ihre Zähne begannen zu klappern. Die Türen zum Zimmer ratterten mit. Wer war dieses Wesen? Er konnte es nicht wissen. Im Abgrund ihrer Augen war er beinahe wahnsinnig geworden. Er hatte durch sie Dinge gesehen, die er niemals erklären, nie verstehen konnte. Sie war wahnsinnig gewesen, verspielt, traurig, undurchdringlich, bemitleidenswert. Er hatte mitgewirkt, sie zu erschaffen.
    Sie schien das armseligste Wesen auf der Welt zu sein.
    Er hob sie hoch und trug sie zur Tür.
    Isis zögerte.
    »Komm mit«, sagte Josh, und Isis tappte hinter ihm her.
    Als er sie die Treppe hinuntertrug, bekam sie Schüttelfröste. Die Mauern begannen zu wanken, von der Decke fielen große Steinbrocken herab und zerschellten am Boden. Josh verließ die Festung, als das ganze riesige Bauwerk zu Schutt zerfiel. Isis lief vor ihm her, die Ohren an den Kopf angelegt, mit den Augen rollend.
    Das gefiederte Vogelkind lag schlaff in Joshuas Armen, kalten, wächsernen Schweiß im Gesicht.
    Isis hüpfte am nächsten Morgen fröhlich ins Lager. Einige Minuten später erschien Josh und legte seine Last auf den Boden. Das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher