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Neubeginn in Virgin River

Neubeginn in Virgin River

Titel: Neubeginn in Virgin River
Autoren: Robyn Carr
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weißes Haar und trug eine Brille mit schwarzem Rahmen, die viel zu groß für ihr Gesicht war. Ihre Füße steckten in Gummistiefeln, und in ihrem Regenmantel war kaum etwas von ihr zu erkennen, aber sie musste weniger als ein Meter fünfzig groß sein. Sie warf eine Zigarette in den Schlamm und kam mit einem breiten Lächeln, bei dem sie die Zähne aufblitzen ließ, auf Mel zu. „Willkommen!“, rief sie betont fröhlich, und Mel erkannte die tiefe, kehlige Stimme, mit der sie telefoniert hatte.
    „Willkommen?“, imitierte Mel sie. „Willkommen?“ Sie zog das Foto aus der Jacke hervor und hielt es der Frau entgegen. „Dies“, mit dem Finger tippte sie auf das Haus auf dem Bild, „ist nicht das!“ Sie deutete auf die heruntergekommene Hütte.
    Völlig ungerührt antwortete Mrs. McCrea: „Richtig, man muss das Haus ein wenig auf Vordermann bringen. Ich hatte vorgehabt, gestern hierherzukommen, aber dann ist mir der Tag aus dem Ruder gelaufen.“
    „Auf Vordermann bringen? Mrs. McCrea, es bricht zusammen! Sie haben gesagt, es sei hinreißend! Von liebenswert haben Sie gesprochen!“
    „Also wirklich“, beschwerte sich Mrs. McCrea, „bei der Schwesternagentur haben sie mir nicht gesagt, dass Sie so melodramatisch sind.“
    „Und mir wurde nicht gesagt, dass Sie unter Wahnvorstellungen leiden!“
    „Nun aber mal langsam. So kommen wir doch nicht weiter. Möchten Sie im Regen stehen bleiben, oder wollen Sie mit hineinkommen und sehen, was wir da haben?“
    „Ehrlich gesagt, ich würde am liebsten gleich wieder umdrehen und diesen Ort hinter mir lassen, aber ich fürchte, ohne einen Geländewagen werde ich nicht weit kommen. Das ist noch so eine Kleinigkeit, die zu erwähnen Sie vergessen haben.“
    Ohne darauf einzugehen, stapfte der kleine Wicht die drei Stufen zur Veranda des Häuschens hinauf. Sie brauchte keinen Schlüssel, um die Tür zu öffnen, sondern setzte ihre Schulter ein, um sie mit einem kräftigen Ruck aufzustoßen. „Vom Regen aufgequollen“, erklärte sie mit heiserer Stimme und war schon im Innern des Hauses verschwunden.
    Mel ging ihr nach, stampfte aber nicht wie Mrs. McCrea über die Veranda, sondern prüfte sie vorsichtig bei jedem Schritt. Da war eine gefährliche Neigung, aber vor der Tür schien sie doch einigermaßen stabil zu sein. In dem Moment, als Mel die Tür erreichte, ging drinnen ein Licht an, und dem schwachen Lichtschein folgte gleich darauf eine immense Staubwolke, als Mrs. McCrea das Tischtuch ausschüttelte. Mel blieb die Luft weg und hustend zog sie sich wieder auf die Veranda zurück. Nachdem sie sich erholt hatte, atmete sie einmal tief die kalte, feuchte Luft ein und wagte sich dann wieder hinein.
    Wie es aussah, war Mrs. McCrea damit beschäftigt, trotz des ganzen Schmutzes in diesem Haus aufzuräumen. Sie schob die Stühle an den Tisch, blies den Staub von den Lampenschirmen und stellte mit Buchstützen die Bücher in den Regalen auf. Mel sah sich um, aber nur aus Neugier. Sie wollte bloß sehen, wie schrecklich alles war, denn sie würde auf gar keinen Fall hierbleiben. Da stand eine abgewetzte Couch mit Blumenmuster, ein dazu passender Stuhl und eine Ottomane, eine alte Truhe, die als Couchtisch diente, und ein Bücherregal aus Ziegeln und rohen Brettern. Nur ein paar Schritte weiter und vom Wohnzimmer durch einen Tresen abgetrennt befand sich die kleine Küche. Die hatte kein Putztuch mehr gesehen, seit zuletzt jemand ein Essen hier zubereitet hatte. Vermutlich vor ein paar Jahren. Die Türen des Kühlschranks und des Ofens standen offen; ebenso die meisten Schranktüren. Die Spüle war mit Geschirr und Töpfen vollgestopft, und in den Schränken stapelten sich staubige Teller und Unmengen von Tassen, alles viel zu schmutzig, um es gebrauchen zu können.
    „Ich bedaure, aber das hier ist wirklich inakzeptabel“, sagte Mel laut.
    „Es ist doch nur ein bisschen Schmutz. Weiter nichts.“
    „Da liegt ja ein Vogelnest im Ofen!“ Mel war jetzt völlig außer sich.
    Mit ihren matschigen Gummistiefeln kam Mrs. McCrea in die Küche geschlurft, griff in den Ofen hinein und zog das Vogelnest heraus. Sie ging zum Eingang und warf es in den Hof. Dann schob sie die Brille auf der Nase nach oben, sah Mel an und sagte in einem Ton, der bedeutete, dass ihre Geduld wirklich einer harten Probe unterzogen wurde: „Jetzt gibt es kein Vogelnest mehr.“
    „Verstehen Sie doch, ich weiß wirklich nicht, ob ich das aushalte. Dieser alte Mann in dem Transporter musste mich
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