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Neubeginn in Virgin River

Neubeginn in Virgin River

Titel: Neubeginn in Virgin River
Autoren: Robyn Carr
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den Sitz. Sie saß auf einem ziemlich dicken Kissen, und der Sitz war weit nach vorne geschoben, damit sie die Pedale erreichen konnte. Ohne ein Wort zu verlieren, ließ sie den Wagen an und fuhr gekonnt auf dem schmalen Zufahrtsweg zurück auf die Straße.
    „Bei unserem Gespräch vor ein paar Wochen haben Sie mir gesagt, dass Sie ziemlich hart im Nehmen sind“, erinnerte sich Mrs. McCrea.
    „Das bin ich auch. Ich habe die letzten zwei Jahre die Frauenstation in unserem Bezirkskrankenhaus geleitet, das dreitausend Betten hat. Da hatten wir ständig mit den schwierigsten Fällen und den hoffnungslosesten Patienten zu tun, und wenn ich das einmal selbst so sagen darf, ich habe dort verdammt gute Arbeit geleistet. Davor war ich jahrelang im Zentrum von L. A. auf der Unfallstation. Auch ein ziemlich harter Posten, nach allgemeinem Verständnis. Als Sie von ,hart‘ sprachen, bin ich davon ausgegangen, dass Sie das im medizinischen Sinne meinten. Ich wusste nicht, dass Sie eine erfahrene Pionierin suchen.“
    „Guter Gott, Sie können sich ja vielleicht aufregen. Nach einer Mahlzeit werden Sie sich besser fühlen.“
    „Das hoffe ich auch“, sagte Mel, dachte jedoch: Ich kann hier nicht bleiben. Es war völlig verrückt, und ich gebe es zu und werde so schnell wie möglich wieder von hier verschwinden. Das Einzige, wovor sie wirklich zurückschreckte, war, es Joey gegenüber einräumen zu müssen.
    Während der Fahrt schwiegen sie. Mel wusste nicht, was sie hätte sagen sollen, und war im Übrigen davon fasziniert, wie leicht, schnell und geschickt Mrs. McCrea den riesigen Suburban handhabte, mit dem sie im Regen über die von Bäumen gesäumte Straße und durch die engen Kurven holperten.
    Sie hatte sich eine Pause von Schmerz, Einsamkeit und Angst erhofft. Eine Befreiung von dem Stress, der sich im Umgang mit Patienten ergab, die entweder Täter oder Opfer von Verbrechen waren oder völlig verarmt hoffnungslos ihrem verhängnisvollen Schicksal ausgeliefert. Als sie die Fotos des reizenden Dörfchens gesehen hatte, konnte sie sich sofort einen anheimelnden Ort ausmalen, wo die Menschen sie brauchen würden. In ihrer Vorstellung sah sie sich bereits, wie sie unter den Dankesbekundungen der rotbäckigen Landpatienten aufblühte. Schon immer hatte ihr sinnvolle Arbeit dabei geholfen, schwierige persönliche Probleme zu meistern. Und abgesehen davon war es eine Erleichterung, dem Smog und dem Verkehrslärm entfliehen und in der unberührten Schönheit der Wälder zur Natur zurückkehren zu können. Nur hatte sie einfach nie daran gedacht, so weit zur Natur zurückzukehren.
    Die Aussicht, im abgelegenen Virgin River den Frauen, die vermutlich überwiegend nicht versichert waren, bei der Geburt ihrer Kinder helfen zu können, hatte den Ausschlag gegeben. Die Arbeit als Krankenschwester war zwar befriedigend, aber ihre eigentliche Berufung sah sie in der Geburtshilfe.
    Joey war jetzt ihre ganze Familie. Sie hatte sich gewünscht, Mel würde nach Colorado Springs kommen und dort bei ihr, ihrem Mann Bill und den drei Kindern wohnen. Mel aber hatte nicht ihre Stadt gegen eine andere tauschen wollen, selbst wenn Colorado Springs wesentlich kleiner war. Da ihr jetzt aber nichts Besseres mehr einfiel, würde sie wohl gezwungen sein, sich dort nach Arbeit umzusehen.
    Als sie bemerkte, dass sie etwas durchkreuzten, das einem Dorf ähnlich sah, verzog sie wieder das Gesicht. „Ist das der Ort? Der sah auf den Fotos, die Sie mir geschickt hatten, aber auch anders aus.“
    „Ja, Virgin River. So wie es ist. Bei Tageslicht sieht es sehr viel besser aus, das steht fest. Verfluchter Regen. Der März bringt uns immer dieses scheußliche Wetter. Dort drüben, das ist Does Haus. Dort hält er seine Sprechstunde ab. Aber er macht auch viele Hausbesuche. Dort drüben, das ist die Bücherei“, erklärte Mrs. McCrea. „Dienstags geöffnet.“
    Sie fuhren an einer freundlich wirkenden Kirche mit Turm vorbei. Sie schien zwar verbarrikadiert zu sein, aber immerhin erkannte Mel sie wieder. Dort drüben war der Laden, der ebenfalls älter und renovierungsbedürftiger wirkte als auf den Fotos. Der Besitzer war gerade dabei, die Tür für die Nacht zu verriegeln. Entlang der Straße standen etwa ein Dutzend Häuser, alle alt und klein. „Wo ist die Schule?“, fragte Mel.
    „Welche Schule?“, fragte Mrs. McCrea zurück.
    „Die auf dem Bild, das Sie der Agentur geschickt hatten.“
    „Hmm. Keine Ahnung, wo ich das herhatte. Wir haben keine
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