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Neu-Erscheinung

Neu-Erscheinung

Titel: Neu-Erscheinung
Autoren: Michael Gantenberg
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schon.«
    »Ich dachte, ich les nicht richtig, was soll das sein, ein Ende?«
    »Ja.«
    »Bist du denn verrückt? Morgen ist die Gabor bei der Freitag, und du beendest die Geschichte. Was ist das denn für ’ne Logik?«
    »Ich habe nie gesagt, dass ich die
Messias
ewig schreibe.«
    Darüber ging Masuch sofort hinweg, als Herausgeber einer Tageszeitung war er es gewohnt, Erklärungen nur dann ernst zu nehmen, wenn sie von ihm selber stammten.
    »Mein lieber Litten, ich habe eine Menge investiert, auch in Sie...«
    Jetzt wurde es ernst, Masuch war wieder beim Sie.
    » ... und ich werde nicht einfach zusehen, wie einer meiner Mitarbeiter, diese Investitionen mal so eben wegbügelt, weil er keine Lust mehr hat.«
    »Von keine Lust kann keine Rede sein, ich bin einfach fertig.«
    »Ja, dann schreiben wir noch ein paar Geschichten, und dann geht’s in den Urlaub, wo willst du hin, sag, das ist doch kein Thema ... wir wollten doch sowieso noch über Geld reden, so ’nen Urlaub kann ich auch über die Bücher laufen lassen, Mensch, Litten, da hast du mir aber einen Schrecken eingejagt. Ich hab gedacht, es wäre was Ernstes. Mann, kleine Erschöpfung ist doch kein Thema, hat doch jeder mal, kann man doch was machen. Mensch, Litten.«
    »Ich bin nicht nervlich fertig, Herr Masuch, ich bin mit der Geschichte fertig. Sie ist zu Ende erzählt.«
    Am anderen Ende der Leitung wurde nun geschwiegen; dem wollte ich mich anschließen.
    »Litten?«
    »Ja.«
    »Sie meinen das ernst?«
    »Ja, sehr ernst.«
    »Sie sind gefeuert.«
    »Das hab ich geahnt.«
    Und es tat mir nicht im Geringsten leid. Im Gegenteil, mir fiel eine große Last von den Schultern. Seltsam, es regte sich noch nicht einmal ein stiller Protest oder wenigstens ein Hauch von Wut in mir. Stattdessen fühlte ich mich wie befreit, nicht nur weil ich diese Geschichte nicht mehr schreiben musste, sondern weil ich überhaupt keine Geschichten mehr schreiben musste. Nicht über Waldlehrpfade und auch nicht über Bauausschusssitzungen. Von dieser Sekunde an war ich ein ganz normaler Bürger Muendens. Völlig uninteressant für Dreckmann und die anderen, die in mir immer nur eine Funktion gesehen hatten und niemals einen normalen Menschen.
    Als Ansgar in die Redaktion kam, ahnte er sofort, dass etwas passiert war.
    »Paul? Was ist los?«
    »Das war’s.«
    »Was?«
    »Das hier. Masuch hat mir gekündigt.«
    »Warum das denn?«
    »Kann ich dir nicht sagen.«
    Ich ging zur Tür, wo mich Ansgar abfing.
    »Moment, du kannst doch jetzt nicht einfach gehen.«
    »Kein Problem, mir geht’s gut.«
    »Paul, du bist gerade gefeuert worden, und dir geht’s gut, du musst mir nichts vormachen, ich bin dein Freund.«
    »Mir geht’s wirklich gut, mir geht’s saugut.«
    »Paul?«
    Ich gab ihm einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter und verließ die Redaktion. Ansgar verstand die Welt nicht mehr, während sie sich für mich gerade von ihrer allerschönsten Seite zeigte.

Ich und zwei Geständnisse
    Frau Löfflers Zustand hatte sich deutlich verbessert, und dass ich nun schon zum zweiten Mal an ihrem Krankenbett stand, löste bei ihr beinahe eine Spontangenesung aus.
    »Herr Litten.« Sie strahlte mich an.
    Das Bett neben ihr war frei. Der Gallenstein war entlassen worden, eine Kostensenkungsmaßnahme, auch die Kirche muss sparen, und wenn man das nicht an den Gesunden kann, dann wenigstens an den Kranken, erklärte mir Frau Löffler mit subjektivem Sachverstand.
    »Das ist aber schön, dass Sie mich schon wieder besuchen.« Ein Blick nach links, und ihr war klar, dass die noch vorhandene Zimmernachbarin alles mitbekommen hatte.
    »Und was macht unsere Zeitung?«
    »Läuft und wird gedruckt.« Ich bemühte mich um einen kleinen Scherz, der gar keiner war.
    »Und die anderen?«
    »Herr Rammelau ist wie ausgewechselt, und Siggi seh ich kaum noch, der nimmt jeden Außentermin war, so fleißig war der noch nie.«
    »Vielleicht ist er verliebt?«
    »Kann ich mir nicht vorstellen, ich glaube, der will es doch nochmal wissen.«
    »Wissen Sie was, hier reden sie ganz oft über unsere
Messias

    »Das ist doch nicht unsere.«
    »Sie ist in unserer Zeitung, und damit ist sie unsere, und wissen Sie was, zwei Schwestern von der Geriatrie kennen all ihre Sprüche auswendig, zum Schießen, wenn die das vormachen.«
    »Das glaube ich.«
    »Da ist man natürlich stolz.«
    »Sie?«
    »Ja, natürlich. Irgendwie fühlt man sich da auch als kleine Sekretärin ein bisschen für
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