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Neu-Erscheinung

Neu-Erscheinung

Titel: Neu-Erscheinung
Autoren: Michael Gantenberg
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blöden Kuh ein, hoffentlich liegt es nur am Trinkgeld. Ganz bestimmt liegt es am Trinkgeld. Er ist spendabel. Stahlblaue Augen sind niemals geizig. Was macht sie denn da? Warum beugt die sich vor? Die tuschelt ihm was ins Ohr.
     
    Diese Situation ist tausend Mal schlimmer als alle vergleichbaren. Es ist wie ein Auffahrunfall auf der Autobahn, den man aus dem Stau auf der anderen Fahrbahn beobachtet. Eigentlich will man gar nicht hinschauen, tut es aber dennoch, und man weiß nicht, was man tun soll. Helfen kann man eh nicht, liegt ja die blöde Fahrbahnbegrenzung dazwischen. Hannah? Bist du noch normal? Hier ist ein Straßencafé, und der Mann da vorne ist niemandem ins Heck gefahren, sondern lässt sich nur von einer Kellnerin anlachen. Und außerdem gibt es hier keine Fahrbahnbegrenzung.
    Resi räuspert sich. Ganz schlechtes Timing.
    »Resi?«
    »Ja?«
    »Jetzt nicht!«
    »Gut.«
    Warum gehe ich nicht zu ihm. Die beiden lachen sich noch immer an. Aber was soll ich dann sagen? ›Hey! Hör sofort auf, diesen Mann anzulachen. Das ist meiner.‹ Ist er aber nicht. Und jetzt? Er lächelt schon wieder. Aber diesmal in meine Richtung. Er zuckt mit den Schultern. Soll das eine Erklärung sein. Oder sogar eine Entschuldigung. Blödsinn! Es gibt keinen Grund, sich bei mir zu entschuldigen. Für was? Aber er lächelt wirklich. Endlich geht sie weg.
    Resi schreibt etwas auf eine Serviette.
    »Ich halte nur die Uhrzeit und das Datum fest.«
    »Wofür?«
    »Für später.«
    »Warum?«
    »Wenn ich es nicht tue, wer dann, einer muss doch das Ereignis protokollieren.«
    »Resi, was für ein Ereignis?«
    »Das Wunder.«
    »Hier gibt es kein Wunder.«
    Und dann gibt es doch eins. Es ist ungefähr einsneunundsiebzig groß, hübsch durchtrainiert, was man an den angenehm definierten Oberarmen erkennen kann, hat immer noch stahlblaue Augen und raspelkurzes blondes Haar und steuert direkt auf mich zu. Meine Körperfunktionen versagen, und ich weiß, dass ich nichts weiß.
    »Resi, schreib auf, es ist vollbracht.«
    »Was?«
    »Das!«
    »Hallo.« Er hat Hallo gesagt. »Ich weiß, das klingt jetzt völlig daneben, aber ich möchte dich kennenlernen.«
    »Ich bin daneben, ich meine, das klingt überhaupt nicht daneben.«
    »Wer ist das?«, fragt eine sichtlich verunsicherte Resi.
    »Ist doch egal.«
    »Und was soll ich schreiben?«
    »Nick«, antwortet das Wunder freundlich.
    »Mit K?«
    Resi ist unglaublich.
    »Mit CK !«, ergänzt das Wunder.
    »Danke.«
    »Kein Problem, darf ich mich setzen?«
    Ich kann nicht antworten, es reicht nur zu einem Nicken. Nur ein Nicken? Klar, dass sich jetzt auch alle Wörter vor diesem Mann verbeugen und schweigen.
    Nick setzt sich. So langsam scheint auch Resi zu begreifen, dass hier etwas sehr Weltliches passiert. Sie beobachtet den Austausch unserer Blicke wie ein Tennisspiel. Hin und her, her und hin.
    »Soll ich uns noch was bestellen?«
    Ich nicke erneut.
    »Und was?«
    »Für mich eine Cola«, sagt Resi.
    »Und für dich?«
    Warum sage ich jetzt nichts, ich kann doch sonst auch immer was sagen. Was soll er von mir denken, das ich komplett bescheuert bin, oder was? Los, sag was, Hannah von Nazareth! Ich kann nicht, ich bin gelähmt. Hannah!!! Nein, es geht nicht, verdammt.
    »Cappuccino?«
    Das war knapp, nicken kann ich noch, also tue ich es.
    Nick bestellt, und ich schweige noch immer, was ihm nichts ausmacht. Er ist einer von den Guten. Er ist einer von den ganz Guten. Da darf man auch mal nichts sagen.
    Resis Räuspern ignorieren wir beide, was sie dazu veranlasst, noch eine Oktave tiefer zu räuspern.
    »Kann ich was sagen?«
    Nick und ich schütteln beide den Kopf.
    »Gut.«
    Als die Kellnerin mit den Getränken kommt, schweigen wir noch immer. Resi bedeutet der Kellnerin, ganz still zu sein, woran sie sich hält.
    Obwohl kein einziges Wort zwischen uns beiden fällt, wächst die Vertrautheit von Sekunde zu Sekunde. Ich habe die Fähigkeit, die Wahrheit zu erkennen, geopfert und vermisse sie nicht. Denn nun sehe ich die Wahrheit auch ohne IHN . Es ist die Wahrheit, die man nur mit dem Herzen erkennen kann. Ich ahne es, jetzt wird es kitschig, aber das ist mir so was von egal. Es ist Liebe. Liebe auf den kitschigen ersten Blick.
    Nick ergreift meine Hand, und Resi verschluckt sich an der Cola. Ich bin am Ziel, am Ende einer langen Reise. ER weiß es, Nick weiß es, und Resi wird es auch irgendwann kapieren.

Ich und Masuch
    »Das ist doch nicht dein Ernst, Litten!«
    »Ich denke
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