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Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Titel: Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters
Autoren: Ralf Isau
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Der alte Lord diskutierte mit Professor Macleod. Ab und zu warf Samuel ein paar beschwichtigende Worte ein.
    Wenn ich nur diese Tür öffnen könnte!, dachte Jonathan, aber sogleich hallten die Worte Goels durch seinen Sinn: Wenn du diese Regel brechen würdest, bräche auch das Gefüge zusammen, das die beiden Welten verbindet.
    Schweren Herzens legte er die beiden weißen Rosen auf das Kopfkissen seines Bettes. Jetzt galt es, noch eine letzte Frage zu klären: Was sollte er mitnehmen? Auf seinem Nachtschränkchen lagen drei Gegenstände, die ihm teuer waren: die Bibel, die Flöte und das Pergament mit der Prophezeiung, von dem er nun wusste, dass es ursprünglich einmal seiner Vorfahrin, Tarika, gehört hatte. Er nahm die Flöte in die Hand und betrachtete sie liebevoll. Sie war ein Geschenk seines verstorbenen Vaters. Ohne es recht zu merken, hob er das Instrument an die Lippen und spielte noch einmal das Motiv des traurigen Hirtenliedes, das ihn so oft getröstet hatte. Nein, entschied Jonathan, diese Flöte gehörte hierher. Er hatte ja das Gegenstück dazu, die Flöte von Lemor, dem Hirten. Schon einmal waren die beiden Instrumente zwischen den Welten hin-und hergewandert, ohne dass Jonathan damals etwas von der Regel wusste, die Goel formulierte: Man kann nichts aus der Welt herausnehmen, ohne etwas anderes dort zu lassen. Diese Flöte war zur Erde zurückgekehrt, weil sie hierher gehörte.
    Jonathan legte das hölzerne Instrument zu den beiden Rosen. Dann griff er kurz entschlossen nach der Bibel und dem Pergament. Als er wieder vor dem Fenster stand, hinter dem der leuchtende Nebel wallte, drehte er sich noch ein letztes Mal um.
    »Leb wohl, Großvater«, sagte er mit trauriger und zugleich entschlossener Stimme und: »Lebe wohl, Samuel, mein guter, treuer Freund.«
    Dann war Jonathan Jabbok für immer von der Erde verschwunden.
      
      
      
     

Epilog
     
    Die Hochzeit zwischen Gimbar und Schelima war ein freudiges Ereignis der ganz besonderen Art. Die Feier fand eine Woche nach der glückliche Ankunft im Garst ten der Weisheit statt. Man feierte in Ganor, der Pilgerstadt, die unmittelbar an die Nebel von Gan Mischpad grenzte. Im Anschluss an das Fest kehrte das glückliche Paar noch einmal in den Garten zurück, um den Segen Goels entgegenzunehmen. Schelima weinte, aber Gimbar schien das nicht zu stören. Er hatte nur noch Augen für sein »sommersprossiges Täubchen«, wie er Baltans Tochter nannte. Schelima pflegte dann stets zu erwidern: »Ein recht gefährliches Leben ist das für ein Täubchen, wenn es ständig in den Fängen eines Falken liegt.« Aber das war kein ernst gemeinter Einwand gegen Gimbars Bestreben seine Braut nicht aus den Armen zu lassen.
    Während die Hochzeit noch in vollem Gange war, quälte Geschan – zu seiner Beruhigung nannten ihn die Freude nach wie vor Yonathan – ein besonders hartnäckiger Gedanke. Da gab es noch eine Angelegenheit, die er erledigen musste. Sie erschien ihm ebenso schwierig wie die ganze gefahrvolle Reise, die er hinter sich gebracht hatte: Er wollte mit Bithya ins Reine kommen.
    »Du scheinst dir aus Hochzeiten nicht allzu viel zu machen«, stellte das schwarzlockige Mädchen mit herausforderndem Tonfall fest. Sie hatte sich unbemerkt an Yonathan herangepirscht, der etwas abseits der Feierlichkeiten seinen rastlosen Gedanken nachhing.
    »Das stimmt nicht«, entgegnete er. »Ich freue mich sehr für Gimbar und Schelima. Unheimlich!, würde Yomi sagen.«
    »Warum sitzt du dann hier in der Ecke und gaffst nur zu uns anderen rüber, ohne dich mit uns zu unterhalten?«
    »Weil ich mir nicht sicher bin, wer in diesem ›uns‹ alles drinsteckt.«
    »Du sprichst in Rätseln, Yonathan. Hat dein Pflegevater dir nie beigebracht, wie man sich klar und deutlich ausdrückt?«
    Yonathan seufzte aus tiefstem Herzen. »Bithya«, begann er zögerlich, während er gleichzeitig um eine möglichst blasse Gesichtsfarbe kämpfte, »du bist immer so… so… so grob zu mir. Aber jetzt, wo Goel beschlossen hat dich bei sich aufzuziehen, und wo ich auch in Gan Mischpad leben werde, wäre es da nicht schön, wenn wir beide uns ein wenig besser vertragen könnten? Ich liebe und schätze Goel wirklich – schon nach so wenigen Tagen –, aber ab und zu mit jemandem zu sprechen, der in meinem Alter ist, mit dem ich vieles gemeinsam habe – zum Beispiel, dass wir keine Eltern mehr besitzen…«
    »Willst du mir etwa sagen, dass du daran interessiert bist, dass wir Freunde
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