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Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters

Titel: Neschan 02 - Das Geheimnis des siebten Richters
Autoren: Ralf Isau
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Euch dringend sprechen.«
    Der grauhaarige Alte nickte lächelnd. »Ich hatte mich schon gewundert, warum Ihr Euch damit so lange Zeit lasst. Kommt mit hinaus, in den Garten. Die Sterne sind verschwiegene Zuhörer.«
    Der abnehmende Halbmond bot Jonathan genügend Licht, um dem Richter folgen zu können, der schnellen Schrittes den Garten durchmaß.
    »Warum habt Ihr es so eilig, Richter Goel?«
    »Wichtige Entscheidungen soll man nicht auf die lange Bank schieben, Richter Geschan.«
    »Müsst Ihr mich immer mit diesem Titel aufziehen?«
    Goel blieb stehen und wartete, bis Jonathan nahe genug gekommen war, um das ernste Gesicht des Alten zu erkennen. »Ich ziehe Euch nicht auf, Geschan. Ihr solltet Euch langsam an den Gedanken gewöhnen, so angesprochen zu werden.«
    »Aber doch nicht von Euch, Goel! Was bin ich schon gegen Euch?«
    »Wir beide sind nur Diener. Jeder Mächtige täte gut sich dessen bewusst zu sein – das ist übrigens die erste Lektion, Richter Geschan.«
    »Aber wenn Ihr mich mit meinem eigenen Namen ansprechen könntet…«
    »Geschan ist dein eigener Name. Daran wirst du dich schon gewöhnen müssen.«
    Jonathan senkte den Kopf und nickte.
    »Gut«, sagte Goel. »Da wir nun also festgestellt haben, dass wir auf gleicher Ebene stehen, könnten wir auch die Förmlichkeit ablegen.«
    »Das möchte ich lieber nicht. Selbst wenn wir beide Richter sind, muss ich mich vor Eurem grauen Haupt verneigen…«
    »Gut, gut, gut«, unterbrach der Richter ungeduldig die Einwände seines neuen Schülers. »Dann einigen wir uns auf einen Kompromiss. Nenn mich meinetwegen Lehrer, Meister oder sonst irgendwas, das entspricht meiner Aufgabe, aber lass dieses alberne Euch, Ihr und was weiß ich nicht noch alles.
    Solche Anreden kannst du dir für die Kaiser und Fürsten aufheben; die blühen geradezu auf, wenn sie so was hören.«
    »Also gut,… Meister. Wie du sagtest: Solange ich dein Schüler bin.« Nach kurzem Zögern gab Jonathan zu bedenken: »Wobei ich nicht weiß, ob ich diese Rolle wirklich erfüllen kann.«
    Goel war nicht überrascht eine solche Äußerung zu hören. »Endlich sind wir beim Thema«, sagte er nur.
    »Es geht um die Welt, von der ich stamme. Ich glaube, ich kann nicht einfach hier bleiben und so tun, als gäbe es weder einen Großvater, der gerade um mein Leben fürchtet, noch all die anderen Menschen, die mir am Herzen liegen.«
    »Deine Worte zeigen mir, dass die Wahl richtig war, Jonathan. Wie könntest du die Gabe der vollkommenen Liebe besitzen, ohne dich um die Deinen zu sorgen? Aber trotzdem gibt es Situationen im Leben, in denen man eine Entscheidung treffen muss. Nicht immer gibt es einen Mittelweg – zum Glück, denn die Menschen suchen sich ohnehin schon viel zu viele Mittelwege. Du musst wissen, ob du als siebter Richter diese Welt vor der Finsternis bewahren willst oder ob du als gesunder Junge auf der Erde deinen Weg gehen möchtest. In dir steckt viel Kraft, um Gutes zu tun, hier wie da. Aber du selbst musst wählen, welchen Weg du gehen willst.«
    »Hast du gesagt, ich könne als ›gesunder Junge‹ auf der Erde leben?« Jonathan war verwirrt.
    »Selbstverständlich. Es wäre unfair, dir einen anderen Handel vorzuschlagen. In einem größeren Sinne bist du natürlich sowieso schon gesünder gewesen als alle deine Altersgenossen. Dein Herz und dein Verstand sind deine Gesundheit, damit hast du die Gefühle vieler Menschen in deiner Umgebung mehr berührt als mit irgendeinem Mitleid, das man einem Kind in einem rollenden Stuhl entgegenbringt.«
    Jonathan dachte darüber nach. Er hatte nie versucht Mitleid für seine Behinderung zu heischen. Im Gegenteil, er hasste solche Art von Mitgefühl. So weit es ging, versuchte er stets ein normaler Junge unter Gleichaltrigen zu sein. Aber er war stets ein Fremder unter all den gesunden Knaben gewesen. Er konnte nicht mit ihnen Ball spielen, sich an keinen Streichen beteiligen, bei denen man schnell weglaufen musste. Das hatte dazu beigetragen, dass er am Ende doch nur wenige Freunde besaß, wenige Menschen, die mehr als Mitleid für ihn empfanden. Aber für diese wenigen wollte er etwas tun, bevor er für immer von der Erde verschwand. Hier auf Neschan hatte er eine große und wichtige Aufgabe, mit der er Yehwoh mehr dienen konnte als durch ein aufopferungsvolles Leben auf der Erde.
    »Ich habe meinem Großvater versprochen ein Zeichen zurückzulassen, wenn ich einmal von ihm gehen würde«, erklärte er.
    Goel lächelte sanft, konnte
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