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Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok

Titel: Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok
Autoren: Ralf Isau
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hatte er Gavroq gereizt. Aber getrieben wurde der Hauptmann von der eigenen Schlechtigkeit…!
    »Das ist es!«, hauchte Din-Mikkith hinter Yonathans Rücken triumphierend. »Warum bin ich nicht gleich darauf gekommen!«
    All diese Äußerungen verwirrten Yonathans Denken. Er fürchtete vom rechten Kurs abzukommen wie ein schlingerndes Schiff, dessen Steuermann in der aufschäumenden Gischt des Meeres die Orientierung verliert. Und Sethur trieb das grausame Katz-und-Maus-Spiel weiter. »Ich will Euch eine letzte Chance geben. Ich zähle bis zehn, dann werden meine beiden hervorragenden Bogenschützen hier Eure beiden Freunde mit ihren Pfeilen durchbohren. Wollt Ihr Euch uns dann noch immer nicht anschließen«, er hob in einer bedauernden Geste die Schultern, »so werden wir auch für Euch einen Pfeil erübrigen können. Ich beginne also: Eins…« Yonathans Herz schlug schneller. Was sollte er jetzt tun? Sethur war listig wie eine Natter. Er bedrohte zuerst Yomi und Din-Mikkith, seine Gefährten. Durfte er ihr Leben leichtfertig aufs Spiel setzen für einen Auftrag, der doch nur ihn allein betraf? »Was nützt es Euch, uns zu töten?«, rief er erbost. Unbedingt musste er Zeit gewinnen! »Ihr könntet den Stab nie allein nach Temánah schaffen.«
    »Zwei… Mein wichtigster Befehl lautet zu verhindern, dass der siebente Richter den Stab erhält. Und diesen Befehl kann ich auch hier an Ort und Stelle erledigen. Drei…«
    »Was soll ich tun?«, raunte Yonathan den hinter ihm stehenden Freunden zu. »Er wird uns alle töten.«
    »Vier…«
    »Ich kenne ein Fluchtweg«, flüsterte Din-Mikkith zurück. »Du musst Sethur und seine Leute nur für ein Augenblick ablenken.«
    »Fünf…«
    »Aber wie soll ich das tun? Ich kann nicht zaubern!«
    »Benutze das Koach!«
    »Sechs…«
    »Das Koach? Sie sind zu weit weg. Ich kann sie doch nicht angreifen…«
    »Lass sie denken, drüben würde eine Lawine losgehen – ein kleines Donnerschlag täte es auch schon.«
    »Sieben… Ihr habt nicht mehr viel Zeit, junger Mann. Verabschiedet Euch von Euren Freunden.«
    »Wie soll ich das machen, sie denken lassen?«
    »Stell dir den Knall vor, als wäre es wirklich da, mit allen Fasern deines Seins. Und stell dir vor, es wäre so markerschütternd, dass es unsere Feinde auch hören müssten – unbedingt! Versetze dich so in ihre Lage, wie du es bei diesem Hauptmann Gavroq getan hast.«
    »Acht…«
    »Wartet, Sethur!«, rief Yonathan aus und deutete gleichzeitig auf die nördliche Kesselwand. »Da drüben, schaut!«
    »Das ist einer der ältesten Tricks«, entgegnete der Heeroberste siegessicher und zählte weiter. »Neun…«
    Die beiden Schützen spannten ihre Bogen und visierten ihre Ziele an: Yomi und Din-Mikkith.
    Yonathan glaubte, den Verstand verlieren zu müssen. Wut, Panik und Entschlossenheit kämpften in ihm. Das Koach war ein Spiegel der Macht Yehwohs, sagte er sich – und für diese Macht war nichts unmöglich. In einer gewaltigen Willensanstrengung ließ er in seiner Phantasie einen gewaltigen Knall entstehen. Er ließ ihn anschwellen und in einem gigantischen Donner explodieren…
    »Zehn!«, bellte Sethur.
    … explodieren in den Köpfen seiner Feinde. Sethur, seine Männer, ja, selbst Zirah zuckten, wie von einem unsichtbaren Schmiedehammer getroffen, zusammen und fuhren geduckt zur goldenen Südwand herum. Zwei Pfeile verschwanden ziellos im Blau des späten Nachmittagshimmels.
    »Jetzt!«, zischte Din-Mikkith und ergriff Yonathan und Yomi am Ellenbogen. »Folgt mir, schnell!«
    Noch ehe die beiden es begriffen, wurden sie hinter einen vorspringenden Felsen gezogen, in einen verborgenen Spalt.
    »Din, es hat doch keinen Zweck sich zu verstecken…«
    »Sei still, Kleines!«, unterbrach ihn der Behmisch. »Ich habe vorhin beobachtet, wie das Rauch von dem Zweig hier hinein gezogen ist. Das hier muss eine große Höhle sein, in der wir uns verbergen können. Wahrscheinlich gibt es sogar einen weiteren Ausgang. Aber nur du kannst uns führen, Yonathan.«
    »Wo sind sie?«, ertönten von draußen Stimmen. »Sie können sich doch nicht in Luft aufgelöst haben.«
    Sethur rief einige knappe Befehle. »Ihr beiden, rüber zu der Wand da, sucht nach irgendwelchen Felsspalten! Wir bleiben hier und bewachen den Ausgang des Kessels. Zirah, steig auf und such sie von oben!«
    »Sie suchen uns«, drang Yomi in Yonathan. »Tu doch endlich, was Din dir gesagt hat.«
    »Aber wie…?«
    »Die Projektion!«, rief Din-Mikkith hastig.
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