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Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok

Titel: Neschan 01 - Die Träume des Jonathan Jabbok
Autoren: Ralf Isau
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die Krieger Sethurs dachten nur noch ans Überleben, daran, den Ausgang der engen Schlucht zu erreichen, bevor das heranbrausende Gemisch aus Eis, Geröll und Schnee sie zermalmen konnte.
    Nur noch wenige Schritte trennten Yonathan von dem weit aufgerissenen Rachen der schuppigen Bestie. Als würde er dadurch an Kraft und Größe über den Drachen hinauswachsen können, schmetterte er einen uralten Schlachtruf. »Für Yehwoh und seinen Richter!« Gleichzeitig riss er Haschevet in die Höhe und richtete ihn gegen das Maul des Monstrums. Der muskulöse, mit keilförmigen Hornplatten besetzte Hals des Untieres stieß auf Yonathan herab.
    Yomi riss Mund und Augen auf und beobachtete ungläubig, wie die stählernen Kiefer des Drachen durch Yonathan hindurchfuhren, als wäre er Luft.
    »Der Drache ist ein Trugbild«, rief Yonathan mit grimmigem Lächeln. »Es gibt ihn gar nicht! Aber jetzt schnell fort von hier!«
    Keinen Moment zu spät brachten sie die kurze Distanz hinter sich, die sie vom Ausgang der Kluft trennte. Der Drache, der nun nutzlos war, löste sich langsam auf und verschwand. Aber die Eiswelle tobte immer näher heran und füllte die Kluft zwischen den Felswänden mit einer Wolke glitzernder Kristallpartikel. Yonathan wandte sich um und sah mit Grausen, wie gerade Sethurs Männer unter der schmutzig weißen Walze begraben wurden.
    Das Donnern im Rücken wuchs zu betäubender Lautstärke heran, als die drei, um ihr Leben laufend, den Ausgang erreichten. Hier an der Felswand, die die Außenmauer zu dem goldenen Felsenrund bildete, mündete eines der vielen kleinen Seitentäler, die Yonathan schon während des Aufstiegs bemerkt hatte. In einer verzweifelten, letzten großen Anstrengung stürzten sich die Gefährten in die schmale Gebirgsfalte und stürmten hangaufwärts.
    Schon spritzte die weißgraue Masse am Ausgang der Schlucht auseinander und wälzte sich in alles zermalmender Macht talwärts. Yonathan fiel vor Erschöpfung lang hin, rappelte sich wieder auf und stürzte weiter voran. Nach vier-oder fünfhundert Fuß machten die drei völlig ausgepumpt Halt. Stoßweise rangen sie nach Atem, auf die Knie herabgesunken oder sich mit Händen auf den Oberschenkeln abstützend. Sterne tanzten vor ihren Augen.
    »Das war ziemlich knapp«, keuchte Yomi.
    »Ja, ziemlich«, lächelte Yonathan erleichtert, während sein Atem langsam wieder zur Ruhe kam.
    Auch die Eislawine verlangsamte ihre Talfahrt, schien sich von einem reißenden Strom in eine zähe Masse und schließlich in einen erstarrten, schmutzig weißen Riesenwurm zu verwandeln.
    »Meint ihr, wir sind Sethur nun endlich los?«, fragte Yomi.
    »Ich bin mir nicht sicher«, antwortete Din-Mikkith. »Von seinen Männern werden wir nichts mehr zu befürchten haben. Sie werden wohl für ewig unter dem Eis begraben sein. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Sethur sich nicht vor der von ihm selbst ausgelösten Lawine in Sicherheit gebracht hat.« »O nein!«, jammerte Yomi. »Hört denn diese Jagd nie auf?«
    »Ich weiß nicht«, erwiderte Yonathan, die Hände in die Hüften gestützt und den Himmel beobachtend. »Jedenfalls ist diese Zirah verschwunden.«
    »Möglicherweise jagt es immer noch Girith hinterher. Hoffentlich ist dem Rotschopf nichts passiert!« Din-Mikkith war beunruhigt.
    »Hoffentlich«, stimmte Yonathan zu. »Ich glaube wir haben dem kleinen Burschen eine Menge zu verdanken. Zumindest scheint dem kleinen Tollpatsch hier nichts passiert zu sein.« Gurgi hatte sich aus ihrem Versteck an Yonathans Brust herausgewagt, kletterte auf seine Schulter und von dort aus auf Yomis Kopf, um die Aussicht zu genießen.
    Yomi, der an diesem Tage weit Schlimmeres ertragen hatte, ließ sie gewähren. Ihn interessierte eine ganz andere Frage: »Wie konntest du das mit dem Drachen nur wissen? Er sah doch unheimlich echt aus und du bist einfach mitten auf ihn losgerannt.«
    Yonathan zuckte die Achseln. »Anfangs war ich mir nicht sicher. Eigentlich waren es verschiedene Dinge. Ich konnte keinen Schatten unter dem Ungetüm sehen. Außerdem konnte ich es nicht spüren.«
    »Du hast Recht, Kleines. Das ist mir auch aufgefallen. Jedes Lebende Ding hat eine Aura, man kann es sozusagen fühlen.«
    »Und das Schuppentier war wie gar nicht vorhanden?«, fragte Yomi.
    »Genau so«, bestätigte Yonathan. »Ich bin zwar kein Behmisch, aber durch Haschevet kann ich manchmal ebenfalls die Gefühle oder die Ausstrahlung anderer Wesen…«
    »Was ist, Yonathan? Warum sprichst
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