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Nervenflattern

Nervenflattern

Titel: Nervenflattern
Autoren: M Gibert
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Ihnen.«
    Unter der Brücke sah Lenz die Einschlagstelle.
    »Er knallt oben über die Leitplanke, was ja an sich schon eine echte Leistung ist. Dann dreht sich die Karre in der Luft und knallt rückwärts hier in die Uferböschung. Zwei Meter weiter hinten, und die Fulda hätte vielleicht das Schlimmste verhindert. Glaub ich aber nicht. Also, er knallt rückwärts auf, kriegt dann den Motor von vorne praktisch durchs Gesicht gezogen und kommt zum Stehen. Dann rutscht er ganz langsam rückwärts, bis die Karre bis zum Dach in der Fulda verschwunden ist. Das war dann Leichenschändung, wenn Sie mich fragen, weil ersoffen ist der sicher nicht. Aber wenn er sich selbst ausknipsen wollte, dann hat er alles richtig gemacht.«
    Er holte tief Luft. Lenz sah ihn an und hatte keine Ahnung, was er sagen sollte.
    »Ich glaube, Sie brauchen mich nicht mehr. Ich nehm dann mal meinen Kran und hau ab. Eigentlich hab ich nämlich schon seit zwei Stunden Feierabend. Frühschicht.«
    Lenz war noch immer verwirrt von der Schilderung des möglichen Unfallhergangs und nickte nur mit dem Kopf.
    Der Kranfahrer verzog sich. Als Lenz ihm hinterhersah, bemerkte er in der Menge Peter Franz, den Rechtsmediziner. Er wollte gerade in seine Richtung losgehen, als sich der Arzt von der Gruppe löste und auf ihn zukam.
    »Hallo, Herr Dr. Franz.«
    Der Mediziner gab ihm die Hand.
    »Tag auch. Sieht übel aus da drinnen, was meinen Sie?« Er deutete auf das Autowrack.
    »Suizid?«
    »Ich gehe mal davon aus. Die Jungs von der technischen Abteilung sind unterwegs. Wenn sie ihn rausgeschnitten haben, nehme ich ihn mit zur Obduktion, aber nach dem Unfallhergang bleibt keine vernünftige andere Erklärung. Ich habe mitbekommen, dass oben auf der Brücke zwei Zeugen ausgesagt haben, die direkt in den Autos hinter ihm gefahren sind. Beide haben übereinstimmend erklärt, dass er ganz normal gefahren ist, plötzlich das Lenkrad verrissen hat und über die Leitplanke geflogen ist. Dann ging es dahin.«
    »Vielleicht ein technischer Defekt?«
    »Das kann ich mir nicht vorstellen, aber ich will dem Ergebnis der technischen Untersuchung nicht vorgreifen. Eine Reifenpanne war es sicher nicht, denn alle vier Räder sind noch intakt. Höchstens etwas mit der Lenkung, aber wie gesagt, das ist das Metier der Techniker.«
    »Ja«, sagte Lenz, »die Reifen habe ich auch schon gesehen. Die waren es nicht.«
    In diesem Moment fuhr ein kleiner LKW unter die Brücke.
    »Das sind die Techniker«, sagte der Arzt. »Sie hören von mir, sobald ich mehr weiß.«
    Lenz ging noch einmal um den Unfallwagen herum, hob den Kopf und sah zur Brücke hoch. Hoffentlich ein Selbstmörder, dachte er und gähnte.
     
    Thilo Hain kam auf ihn zu. In der Hand hielt er einen Block.
    »Selbstmord, Paul. Glasklar. Oben haben zwei Zeugen beobachtet, wie er einfach so nach rechts abgebogen und abgeschmiert ist. Einer von uns müsste jetzt noch nach Wolfhagen fahren, um den Hinterbliebenen die Nachricht zu überbringen und die Identität zu klären.«
    »Lass uns zusammen fahren.«
    »Ich dachte, du willst in einer Viertelstunde im Bett liegen?«
    »Dann eben eine Stunde später. Aber ich will wenigstens die Identität klar haben.«
    Dr. Franz, der Rechtsmediziner, kam im Laufschritt auf die beiden zu. In der rechten Hand hielt er einen Kunststoffbeutel, den er Lenz überreichte.
    »Hier, Herr Lenz, den Ring habe ich ihm schon mal vom Finger genommen. Der könnte Ihnen vielleicht bei der Identifizierung behilflich sein. Auf der Innenseite gibt es eine Gravur.«
    »Sehr gut, Herr Doktor, vielen Dank. Wir fahren jetzt zu der im Führerschein angegebenen Adresse.«
    Hain steckte das Dokument, das er noch immer in der Hand hielt, ebenfalls in den Beutel.
     
    Fünf Minuten später fuhren sie durch Bergshausen in Richtung Kassel. Der Feierabendverkehr hatte seinen Höhepunkt erreicht, an jeder Ampel bildete sich ein langer Rückstau. Lenz hielt den Ring in der Hand und versuchte, die Gravur zu lesen.
     
    »Das wird nichts, Paul«, grinste Hain ihn an. »Ohne deine Lesebrille bist du doch auf diese Entfernung blind wie ein Grubengaul. Gib mal her, das Ding.«
    Er hatte recht. Lenz brauchte seit etwa drei Jahren eine Lesebrille, die er jedoch öfter irgendwo vergaß. Jetzt lag sie auf seinem Schreibtisch im Präsidium. Er reichte Hain den Ring, der die Gravur während der Fahrt zu entziffern versuchte.
    »He, he, warte wenigstens bis zur nächsten roten Ampel. Gleichzeitig fahren und lesen ist schon so
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