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Nervenflattern

Nervenflattern

Titel: Nervenflattern
Autoren: M Gibert
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Sonderkommission hinzugezogen worden, die den gewaltsamen Tod mehrerer türkischer Geschäftsleute aufzuklären versuchte. Da sich einer der Morde in Kassel ereignet hatte und er auf den Fall angesetzt worden war, hatte er die letzten 14 Tage in Frankfurt verbracht.
    Mieses Wetter, miese Stadt, mieser Fall, miese Unterkunft.
    So hatte er seinem Mitarbeiter Thilo Hain, mit dem er regelmäßig telefonierte, die letzten beiden Wochen geschildert. Er war in einem Zimmer des Ausbildungszuges der Bereitschaftspolizei untergebracht worden. Dort war er von 80 jungen Polizisten umgeben, die nie vor eins ins Bett gingen und laute Musik liebten.
     
    Und dann noch Frankfurt. Er war zu Zeiten seiner Ausbildung oft dort gewesen, aber warm geworden war er mit diesem Moloch nie. Die Häuserschluchten machten ihn unruhig, und unter der Erde, in der U-Bahn, fühlte er sich eingesperrt.
    Zu allem Überfluss hatte es in den letzten 14 Tagen auch noch fast täglich geregnet. Und als der Täter dann nicht in Frankfurt zugeschlagen, sondern am Vorabend einen türkischen Schmuckhändler in Rosenheim erschossen hatte, wurde die ganze Sonderkommission in Frankfurt aufgelöst.
     
    Ein Klopfen weckte ihn. Er öffnete die Augen, nahm die Füße vom Schreibtisch und setzte sich aufrecht.
    »Ja, bitte«, sagte er.
    Es dauerte einen Moment, bis die Tür geöffnet wurde und Thilo Hain den Kopf hereinstreckte.
    »Hallo, Paul. Ich dachte, du hättest vielleicht deinen Zug verpasst. Bevor ich zum Essen gegangen bin, war ich schon mal hier, aber es hat sich nichts getan, als ich geklopft hab. Ist alles in Ordnung mit dir?«
     
    Lenz fuhr sich mit den Händen durchs Haar, nahm eine Schachtel Zigaretten aus der Jacke und zündete sich eine an.
    »Ganz und gar nichts ist in Ordnung. Der Türkenmörder hat in Rosenheim zugeschlagen, ich habe seit gestern Morgen kein Auge zugemacht und die Bahn stand eine Stunde auf freier Strecke, weil ein Signal kaputt war. Ich bin zu alt für diesen Job, glaube ich.«
    Hain grinste.
    »Du siehst genau so aus, wie du dich fühlst. Die Sache in Rosenheim ist blöd, aber irgendwann macht auch der mal einen Fehler. Warum hast du denn nicht geschlafen?«
    »Die Jungs vom Ausbildungszug haben gestern ihre letzten Prüfungen absolviert. Scheinbar hatten alle bestanden oder glauben es zumindest. Als ich heute Morgen da raus bin, lagen sie immer noch auf dem Flur und haben gesungen. Ich wollte ihnen die Party nicht verderben, also habe ich die Nacht mit einem Buch in der Hand verbracht. Und in der Bahn kriege ich nun mal kein Auge zu.«
    Er zog an seiner Zigarette, blies den Rauch Richtung Wand und drückte sie halb geraucht aus.
     
    »Was gibts denn hier Neues?«
    Hain brachte ihn auf den aktuellen Stand der Ermittlungen, mit denen sie betraut waren, und ließ auch den Tratsch nicht aus.
     
    »Also alles wie gehabt.«
    Lenz sah auf seine Uhr.
    »Zu allem Übel muss ich mich jetzt auch noch bei dieser Psychotante einfinden. Hast du deine Prüfung schon bestanden?«
    »Ich hätte meinen Termin letzte Woche gehabt, konnte ihn jedoch abblasen, weil ich in der Nacht vorher Bereitschaft hatte. Das wollte die Dame sich und mir dann doch nicht antun. Die Kollegen sagen aber, man sollte sich vor Dr. Driessler in Acht nehmen, sie hat Haare auf den Zähnen.«
     
    Um eine echte Prüfung handelte es sich nicht, das wusste auch Lenz. Die ganze Geschichte mutete eher an wie eine Posse.
    Ein leitender Mitarbeiter des hessischen Innenministeriums hatte im Jahr zuvor aus heiterem Himmel Panikattacken bekommen und legte sich deswegen bei einem Psychotherapeuten auf die Couch. Als das nicht den gewünschten Effekt brachte, wurde er von seinem Dienstherrn in Kur geschickt oder auf neudeutsch: zu einer Rehamaßnahme. Nach sechs Wochen Therapie war er als quasi geheilt entlassen worden. Allerdings überzeugten die dort wirkenden Ärzte den Mann davon, dass sehr viele Menschen an Panikattacken oder noch viel schlimmeren psychischen Leiden erkrankt seien. Zurück im Amt entwickelte er ein geradezu missionarisches Engagement seinen Mitarbeitern gegenüber, sich auf psychische Erkrankungen hin untersuchen zu lassen. Und als dieser Bereich abgegrast war, richtete er sein Augenmerk auf die weiteren Bediensteten des Landes.
     
    Da Polizisten, das wusste er, großem Stress ausgesetzt sind und in der Regel auch noch im Schichtdienst arbeiten, wurde allen Polizisten die freiwillige psychologische Betreuung im Rahmen der jährlichen Routineuntersuchung
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