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Nervenflattern

Nervenflattern

Titel: Nervenflattern
Autoren: M Gibert
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manchem Beifahrer gar nicht gut bekommen.«
    »14.06.1998 – in Liebe M.«
    »Was?«
    »Hier steht 14.06.1998 – in Liebe M.«
    »Das hast du in dem Moment gelesen?«
    »Nein, ich kenne den Typen seit ein paar Jahren und wusste, was da steht.« Er schüttelte den Kopf.
    »Natürlich habe ich das eben gelesen.«
    »Alle Achtung, Adlerauge. Das heißt ja wohl, dass er zumindest schon mal eine Freundin hat oder gehabt hat. Eine Monika. Oder Marita. Oder eine Marianne.«
    »Oder vielleicht eine Michaela«, ergänzte Hain.
    Lenz steckte den Ring zurück in den Beutel, nahm den Führerschein heraus, klappte ihn auf und betrachtete das Bild.
    »So haben wir damals alle ausgesehen. 18 Jahre alt, picklig und ungepflegt. Geboren am 15.05.1962 in Wolfhagen.« Er rechnete. »Der ist jetzt 45. Oder besser: war.«
    »Herzlichen Glückwunsch«, sagte Hain.
    »Zu meiner Rechenleistung?«
    »Nein, zum Geburtstag.« Hain deutete auf den Führerschein.
    »Der hat heute Geburtstag.«
    »Das ist übel«, kommentierte Lenz.
    Eine Weile sagte keiner etwas. Erst als sie aus Kassel hinausgefahren waren und Hain eine Melodie aus dem Radio leise mitsummte, nahm Lenz das Gespräch wieder auf.
    »Das Ding ist vor 27 Jahren ausgestellt worden. Wer weiß, ob er heute noch dort wohnt?«
    »Ich«, antwortete Hain. «Während du dir die Beine am Unfallwagen vertreten hast, habe ich über Funk eine Halterabfrage zu dem Wrack gemacht. Zugelassen auf Dieter Brill, Friedensstraße 51, Wolfhagen. Die gleiche Adresse wie in dem alten Lappen.«
    »Aus dir wird noch mal ein richtig guter Polizist«, sagte Lenz und gab die Adresse ins Navigationsgerät ein.
     
    Die Friedensstraße war eine lange Sackgasse, Hausnummer 51 befand sich ganz am Ende, ein großes Zweifamilienhaus. Das Nachbargrundstück war eine Baulücke, direkt dahinter ging der Wald los. Hier konnte man es aushalten.
    Sie stiegen aus und sahen sich um.
    Der Vorgarten war gepflegt und für das Auge eines Städters riesig. Lenz öffnete das hölzerne Gartentor und ging zur Haustür. Dort sah er zwei Klingelschilder. Auf dem unteren las er Elfriede Brill, auf dem oberen Dieter Brill. Er legte den Finger auf den oberen Klingelknopf und wartete. Als nach einer halben Minute nichts geschehen war, klingelte er unten. Kurze Zeit später wurde die Tür geöffnet und eine Frau erschien. Sie war etwa 70 Jahre alt, modern gekleidet, trug ihr silbergraues Haar hochgesteckt und machte einen freundlichen Eindruck. Ihr Blick traf zuerst Hain, der etwa einen Meter hinter Lenz stand, und dann den Hauptkommissar.
    »Ja, bitte?«
    »Guten Tag«, sagte Lenz.
    »Mein Name ist Paul Lenz. Das ist mein Kollege Thilo Hain. Wir sind von der Kasseler Kriminalpolizei.« Beide hielten ihre Dienstausweise hoch.
    »Dürfen wir hereinkommen?«
    »Was ist denn geschehen?«
    »Ich nehme an, Sie sind Frau Brill.«
    Sie nickte.
    »Frau Brill, das würden wir ungern mit Ihnen hier an der Tür besprechen.«
    »Bitte«, sagte sie und drehte sich um.
    Die Polizisten folgten ihr durch einen langen Korridor, der in einem riesigen Wohnzimmer mündete, und setzten sich.
    »Es ist wegen meines Sohnes, nicht wahr?«
    Lenz nahm den Ring aus dem Kunststoffbeutel und zeigte ihn der Frau.
    »Gehört dieser Ring Ihrem Sohn, Frau Brill?«
    Sie sah kurz auf, senkte aber sofort wieder den Blick und nickte.
    »Ja, den trägt für gewöhnlich mein Sohn. Wo haben Sie ihn her?«
    »Es tut mir außerordentlich leid, Frau Brill, aber nach jetzigem Erkenntnisstand ist Ihr Sohn heute Nachmittag bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen.«
    »Bei einem Verkehrsunfall?«
    »Wie es aussieht, ja. Allerdings deuten einige Hinweise darauf hin, dass auch ein Freitod nicht auszuschließen ist.«
    Elfriede Brill umschlang ihre Knie mit beiden Armen, wie um sich selbst zu schützen.
    »Freitod. Wie das klingt, Herr Inspektor. Als ob man gerne und aus freien Stücken in den Tod gehen würde. Das kann ich nicht glauben. Aber ich könnte glauben, dass mein Sohn Selbstmord begangen hat. Das könnte ich glauben.«
    Lenz hatte schon häufiger die Nachricht vom Tod eines Familienangehörigen überbracht. Er hatte schon viele Reaktionen auf seine Mitteilung erlebt, aber diese war ihm neu.
    »Wie meinen Sie das? Hat Ihr Sohn sich dahingehend geäußert, dass er sich das Leben nehmen wollte?«
    »Nicht direkt. Mein Sohn ist krank, Herr Kommissar, sehr krank. Er leidet seit einigen Jahren an Depressionen, sehr schlimmen Depressionen. Im letzten Jahr war er deswegen sogar
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