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Nervenflattern

Nervenflattern

Titel: Nervenflattern
Autoren: M Gibert
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wir uns nichts vor, Herr Kommissar. Ich weiß, dass die wenigsten Kollegen mich und meine Arbeit so ernst nehmen, wie ich mir das wünschen würde. Aber ich kann ihnen meine Hilfe nur anbieten. Ob sie mein Angebot annehmen, muss jeder selbst entscheiden. Sie hingegen sollten klüger sein, als mich schon zu Beginn unseres Gespräches verarschen zu wollen.«
    Lenz schluckte. Ihre Ausdrucksweise überraschte und schockierte ihn gleichermaßen. Aber wenigstens redete sie nicht um den heißen Brei.
    »Gut. Ich habe gestern Morgen zuletzt geschlafen. Ich habe 14 Tage in einer Stadt verbracht, die mich nicht erheitert und versucht, einen Fall zu lösen, der nicht zum Lachen ist. Ich habe keine, aber auch wirklich gar keine Lust, mit Ihnen mein Seelenleben zu besprechen. Also habe ich es vorgezogen, zuerst meinem Freund Uwe Wagner guten Tag zu sagen und mich dann mit Verspätung zu Ihnen zu begeben.«
    »Guter Anfang, Herr Lenz. Viel besser als der erste. Ich habe natürlich auch keine Lust, mich hier mit Kollegen herumzuplagen, die lieber mit ganz anderen Menschen ganz woanders wären. Aber unser gemeinsamer Dienstherr hat es sich nun einmal so ausgedacht, und wir wollen ihn doch nicht enttäuschen, oder?«
    Lenz war sich sicher, dass in dieser Frage eine Drohung versteckt war, ging aber nicht darauf ein.
     
    »Ich habe mich in der Zeit des Wartens schon mal mit Ihrer Akte beschäftigt.«
    Sie tippte mit dem Zeigefinger auf das Dossier, in dem sie gelesen hatte.
    »Und? Haben Sie Erkenntnisse gewonnen, die wir besprechen sollten?«
    »Sagen Sie es mir, Herr Lenz. Ich sitze hier und biete Ihnen meine Hilfe zu Fragen der psychischen Gesundheitsbetreuung an.«
     
    Lenz verschränkte die Arme vor der Brust. In einem Seminar über Körpersprache hatte er einmal gelernt, dass diese Geste Ablehnung bedeutet.
    »Sie lesen in meiner Akte, Frau Dr. Driessler. Sie lesen dort, dass ich zwei Mal geschieden bin, dass meine zweite Frau mich ausgezogen hat bis auf die Unterhose und dass ich seit Jahren Unterhalt für meine beiden Kinder aus erster Ehe bezahle, die ich ewige Zeiten nicht gesehen habe. In meinem schönen Haus wohnt nun meine zweite Frau mit ihrem neuen Kerl, den sie aber nicht heiraten will, weil sonst mein monatlicher Scheck ausbleiben würde und sie sich dann einen Job suchen müsste. Ich selbst bewohne anderthalb Zimmer in einem Vorort und rauche am Tag eine Schachtel Zigaretten.«
    Er erhob sich und reichte ihr die Hand.
    »Und wenn ich nachts nicht einschlafen kann, Frau Doktor, dann trinke ich ein Glas Rotwein oder eine Büchse Bier, damit es besser geht.«
    Da sie ihm ihre Hand nicht entgegenstreckte, zog er seine zurück, drehte sich um und ging zur Tür. In diesem Moment klingelte sein Mobiltelefon. Er sah noch einmal zurück.
    »Ich melde mich nächste Woche bei Ihnen, wenn ich ausgeschlafen bin. Wenn Sie wollen, fangen wir dann noch mal bei null an. Wiedersehen.«
     
    Er verließ das Büro, kramte nach seinem Telefon und nahm das Gespräch an.
    »Hallo«, meldete er sich deutlich genervt.
    »Mein lieber Mann, die hat dich aber aufgeregt. Bist du schon fertig?« Es war Hain.
    »Fertig bin ich, ja. Ich will nur noch ins Bett und bis morgen niemanden mehr sehen.«
    Hain seufzte.
    »Daraus wird nix, Chef. Wir haben einen Toten in der Fulda. Scheint über die Bergshäuser Brücke abgegangen zu sein. Wahrscheinlich Selbstmord. Aber hinfahren und es uns ansehen müssen wir.«
    Die Bergshäuser Brücke war ein Teil der A44 und verband die Autobahnen A49 und A7 im Kasseler Südosten. Sie war früher unter Selbstmördern sehr beliebt gewesen, allerdings hatte sich seit Jahren kein Mensch mehr von dort aus ins Jenseits befördert.
     
    »Wir treffen uns am hinteren Ausgang. Hast du ein Auto besorgt?«
    »Ich sitze schon drin, der Motor läuft, und vollgetankt ist er auch.«
    »Na«, knurrte Lenz, »dann sollte es ja für die paar Kilometer nach Bergshausen reichen.«

3
    Fünf Minuten später saßen sie schweigend nebeneinander. Hain steuerte den Opel durch den einsetzenden Feierabendverkehr. Lenz rauchte eine Zigarette, was Hain, als überzeugter Nichtraucher, nicht leiden konnte und Lenz auch normal nicht machte, wenn sie gemeinsam im Auto saßen. Allerdings war dieser Tag nicht wie jeder andere, und Hain wusste schon, wann er besser nicht auf Absprachen bestand.
     
    »Hätte der Typ nicht zwei Stunden früher in den Bach hüpfen können?«, grantelte Lenz. »Dann wäre mir der Besuch bei Frau Dr. Driessler erspart
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