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Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Neonregen (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Autoren: James Lee Burke
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verließ mich hier, und ein anderer betätigte den einfachen Hebel, der die Zellentür öffnete. Johnny trug ein weißes Hemd, schwarze Hose und ein Paar schwarze Air-Force-Schuhe mit weißen Socken. Sein drahtiges, grau-schwarzes Haar war schweißnaß, und sein Gesicht hatte die Farbe und Beschaffenheit von altem Papier. Er blickte von seinem Platz auf der Pritsche zu mir auf, und seine Augen glänzten heiß und fiebrig, und auf seiner Oberlippe sammelten sich kleine, feuchte Perlen. Mit nikotingelben Fingern hielt er eine Camel-Zigarette, und der Boden rings um seine Füße war mit Kippen übersät.
    »Streak, bin ich froh, daß Sie gekommen sind. Ich war mir nicht sicher, ob Sie’s rechtzeitig schaffen«, sagte er.
    »Wie geht’s, Johnny?«
    Seine Hände umklammerten die Oberschenkel, und er blickte auf den Fußboden, dann wieder zu mir. Ich sah, wie er schluckte.
    »Haben Sie schon mal so richtig Schiß gehabt?« fragte er.
    »In Vietnam ein paarmal.«
    »Richtig. Sie waren ja drüben, nicht?«
    »Damals, ’64, bevor es richtig heiß wurde.«
    »Wette, Sie waren ein guter Soldat.«
    »Ich hab’s überlebt, das ist alles.«
    Auf der Stelle merkte ich, wie blöde meine Bemerkung war. Er sah mir am Gesicht an, daß ich sie bedauerte.
    »Machen Sie sich nichts draus«, sagte er. »Ich hab Ihnen ’ne ganze Masse zu erzählen. Schau, erinnern Sie sich noch, wie Sie mich ein paarmal zu diesen Versammlungen von den Anonymen Alkoholikern mitgenommen haben, zu diesem Schritt, den ihr da immer macht, wenn ihr was zu beichten habt – wie sagt ihr noch mal dazu?«
    »Schritt fünf, wo man vor sich selbst, vor Gott und anderen alle seine Fehler offen und ehrlich eingesteht.«
    »Genau. Tja, das hab ich auch gemacht. Bei ’nem farbigen Pfarrer,gestern morgen. Ich hab ihm jede Schlechtigkeit erzählt, was ich je gemacht habe.«
    »Das ist gut, Johnny.«
    »Nein, hören Sie zu. Ich hab ihm die Wahrheit gesagt und bin ein paar echt schlimme Sachen losgeworden, sexuelles Zeug, wegen dem ich mich immer geschämt und das ich nie so richtig kapiert habe. Wissen Sie, was ich meine? Ich hab alles rausgelassen. Ich hab ihm auch von den beiden Jungs erzählt, die ich in meinem Leben abgemurkst habe. Den einen hab ich auf dem Weg nach Havanna über die Reling von ’nem Passagierschiff gekippt, und 1958 hab ich den Cousin von Bugsy Siegel mit ’ner Schrotflinte erledigt. Wissen Sie, was es heißt, ’nen Verwandten von Bugsy Siegel kaltzumachen. Sobald ich dem Pfarrer alles gebeichtet hatte, hab ich’s auch dem Wächter und dem stellvertretenden Direktor erzählt. Wissen Sie, daß es den blöden Arschgeigen absolut egal war?
    Moment noch, lassen Sie mich ausreden. Ich hab all das Zeug erzählt, weil mir einfach irgendwer glauben muß, daß ich diese Braut nicht allegemacht habe. Ich würd kein junges Mädchen aus ’nem Hotelfenster werfen, Streak. Ich fang nicht an zu zetern, weil ich gegrillt werde. Ich schätze, letzten Endes geht das schon alles klar, aber ich möchte, daß diese Mistkerle wissen, daß ich nur die Jungs über die Klinge hab springen lassen, die nach den gleichen Regeln wie ich gespielt haben. Begreifen Sie das?«
    »Ich glaube schon. Und ich bin froh, daß Sie auch den fünften Schritt gemacht haben, Johnny.«
    Zum erstenmal lächelte er. Sein Gesicht glänzte im Licht. »He, sagen Sie mal, stimmt das, daß Jimmie the Gent Ihr Bruder ist?«
    »Auf der Straße hört man allerhand Quatsch.«
    »Sie haben diese schwarzen Cajun-Haare mit dem weißen Fleck drin, als hätten Sie Stinktierblut in den Adern.« Er lachte. Seine Gedanken lösten sich von dem Gang, den er, mit einer Kette um den Bauch gefesselt, in drei Stunden zum Red Hat House antreten würde. »Er hat uns mal den Auftrag gegeben, ein paar Pokerautomaten für seine Läden aufzustellen. Sobald die Dinger installiert waren, haben wir ihm gesagt, daß er ab jetzt alle Automaten von uns kriegt – Zigaretten, PacMan, Gummis. Und er sagt, Gummis nicht, er hat nur erstklassige Clubs, und indenen will er keine Gummiautomaten aufstellen. Also sagen wir ihm, er hat keine Wahl – entweder kauft er das ganze Paket, oder sein Wäschedienst fällt aus, die Gewerkschaft stellt Streikposten vor seinem Laden auf und das Gesundheitsamt kriegt raus, daß seine Tellerwäscher die Lepra haben. Und was macht der Typ? Er lädt Didoni Giacano – Didi Gee höchstpersönlich – und seine ganze Sippe zum Lasagne-Essen in sein Restaurant ein, und am Sonntagnachmittag trudeln
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