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Neobooks - Transalp 10

Neobooks - Transalp 10

Titel: Neobooks - Transalp 10
Autoren: Marc Ritter , CUS
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zielstrebig zum Campanile und fanden die Tür des Glockenturmes offen stehen. Vorsichtig, Stufe für Stufe, schlichen sie nach oben.
    Belluno, Campanile, 19.14 Uhr
    Spindler hörte das Klacken von Zahnrädern. Das Uhrwerk begann sich zu bewegen. In wenigen Sekunden würde die Glocke die volle Viertelstunde anschlagen. Spindler sah vor seinem inneren Auge sein Leben wie in einem Film ablaufen. Wie er als Sechsjähriger im Ahornbaum saß und seine Mutter rief: »Benno, komm rein, es ist spät.« Innerhalb weniger Sekunden tauchten die Momente auf, die von einem ganzen Leben haften blieben. Seltsam war nur, dass auch ein Augenblick vorkam, den er schon vergessen hatte – wie er heute Nachmittag im Café gesessen war. Gerade holte der Klöppel der Glocke zum Schlag aus, da durchzuckte ihn ein Gedankenblitz. Als der Klöppel seinen kurzen Weg vollendete, hatte Benno Spindler das Rätsel der Nibelungen gelöst. Viertel nach sieben. Spindler verlor vor Schmerzen die Besinnung.
    Als er wieder zu sich kam, war nur ein Gedanke in seinem Kopf. Wann kommt der Mann zurück? Der Glockenschlag, der sein linkes Trommelfell zerrissen hatte, war verklungen. Sein Rückgrat war noch heil. Die Glocke war mit ihm geschwungen. Aber zwei Rippen waren gebrochen. Die Gewissheit des nächsten Glockenschlags, nein, der nächsten zwei Glockenschläge um halb acht war das Schlimmste. Er hatte jedes Zeitgefühl verloren. Wann würde dieses aus Bronze gegossene Monstrum wieder ertönen? Nur der Killer konnte ihn vor halb acht bewahren.
    Da kam er. Die Schritte auf der Treppe kamen näher. Spindler hatte sich etwas Zeit gekauft und dafür seinen Folterknecht aufs äußerste gereizt. Jetzt aber würde sein Ende kommen. Und es würde grausam werden. Doch selbst wenn er die Wahrheit gesagt hätte, würde ihn dieser Profi umbringen, das war ihm klar. Vielleicht schaffte er es noch, wenigstens das Versteck des Buches vor ihm geheim zu halten. Doch wie lange könnte er seinen perversen Methoden standhalten?
    Dann stand der Mann vor ihm. »So, du wolltest also nicht, dass wir Freunde werden. Na schön, dann werden wir eben andere Seiten aufziehen. Glaubst du etwa, ich wäre mit meinem Latein schon am Ende? Ich hätte da noch ein paar kleine Überraschungen. Die werden uns beiden bestimmt gefallen.« Mit diesen Worten löste er das Seil. »Noch zwei Minuten bis zum nächsten Glockenschlag. Doch zuerst werde ich dir die Finger amputieren.« Er zog ein Leatherman-Allzwecktaschenmesser mit einer kleinen, aber scharf aussehenden Säge aus der Jackentasche. »Damit wird es eine Weile dauern, aber das stört uns doch nicht weiter, mein Schnuckiputz? Es kommen ja jede viertel Stunde neue Glockenschläge. Also: Wo ist das Buch?« Spindler wurde es schwarz vor Augen. In seinem Rachen hatte sich Blut gesammelt. Er konnte keinen Ton herausbringen. Der Killer löste Spindlers Handschellen.
Er spürt, dass du keine Gefahr mehr bist! Für ihn bist du nur noch ein blutiger Haufen elender Kreatur, ein wimmerndes Etwas, dem man nur noch das Versteck des Buches herausschneiden muss, bevor man es entsorgt.
»Na schön, wir fangen mit dem kleinen Finger an.«
    Wieder hörte Spindler Schritte auf der Treppe. Schritte auf der Treppe? Er merkte, dass sein kleiner Finger losgelassen wurde. Er kippte zur Seite. Er sah, wie der Killer seine Pistole zog und entsicherte. Bloß weg von hier, war alles, was er denken konnte. Mit letzter Kraft robbte er zur Treppe, stieß sich ab und rutschte die Stufen hinunter. Seine gebrochenen Rippen schmerzten höllisch. Hoffentlich bohrten sie sich nicht in die Lunge. Und auch keine Kugel, die der Killer ihm hinterherschicken würde.
    Am Treppenabsatz sah er vier Füße auf sich zukommen. Wer immer das war, es konnte nur besser werden!
    Er sah zu den beiden Menschen hinauf, die ihm den Weiterweg versperrten. Noch nie hatte er Anselm Plank so gerne gesehen. »Da oben, da oben ist er!«, röchelte er, als Plank sich auf der engen Treppe an ihm vorbeidrückte. Stephanie Gärtner wollte sich um den verletzten Spindler kümmern, doch Plank rief von oben: »Weiter, weiter, der Kerl darf uns nicht entwischen!«
    Der Jagdtrieb hatte Besitz von Plank ergriffen. Er dachte gar nicht darüber nach, wohin jemand entwischen sollte, der auf einem hohen Turm stand. Noch, was das überhaupt für einer war, der Spindler so übel zugerichtet hatte. Er hetzte die Stiege nach oben und gelangte an die Tür des Glockenzimmers, die er ohne zu zögern aufriss.
    Da flog
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