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Nebra

Nebra

Titel: Nebra
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Sie das?« »So ist es«, antwortete Steffen. »Ich stehe zusammen mit der Einsatzleiterin auf dem Dach der Jugendherberge. Wir haben hier einen guten Blick über die angrenzenden Wälder rund um Schierke. Sieht aus, als wäre das Feuer zurückgegangen. Können Sie das bestätigen?«
    Ida hörte aus weiter Ferne das Knattern der Rotoren. »... kann ich bestätigen«, kam die Stimme aus dem Lautsprecher. »Habe gerade meine Runde um den Berg beendet. Die Brandherde scheinen überall gleichzeitig erloschen zu sein. Fragen Sie mich nicht, wie so etwas möglich ist.« »Was ist mit der Brockenspitze? Konnten Sie erkennen, was den Brand ausgelöst haben könnte?«
    »Negativ. Bei der Größe der Fläche kann es sich eigentlich nur um riesige Mengen ausgelaufenen Benzins gehandelt haben, aber das ist reine Spekulation.«
    »Was ist mit den Menschen? Es haben sich über hundert Personen im Hotel aufgehalten, als die Explosion erfolgte. Konnten Sie irgendwelche Überlebenden entdecken?« Ein kurzzeitiges Rauschen beeinträchtigte die Funkverbindung, dann war die Stimme des Piloten wieder zu verstehen. »... positiv. Sicht ist durch den Rauch zwar getrübt, aber soweit ich erkennen kann, haben sich die Menschen entlang der Nordseite in Sicherheit bringen können.« Ida spürte, wie ihr eine gewaltige Last von den Schultern genommen wurde. Ihre Gebete waren erhört worden. »Die Kuppe allerdings ist ein Raub der Flammen geworden«, sagte der Pilot. »Das Hotel ist abgebrannt, einschließlich aller angrenzenden Gebäude. Hier steht kein Stein mehr auf dem anderen. Soweit das Auge reicht, sieht man bloß noch schwarze, glänzende Asche. Ich habe so etwas überhaupt noch nicht gesehen. Sieht aus wie nach einer Atomexplosion.« Steffen wischte sich mit der Hand über das rußverschmierte Gesicht. »Und der Unfall? Was ist mit den Löschfahrzeugen?« »Da gibt es Gutes zu berichten«, ertönte die Stimme aus dem Lautsprecher. »Es ist den Helfern gelungen, die Fahrzeuge zu trennen und aus dem Weg zu schaffen. Wie es von hier oben aussieht, helfen alle mit, eine Gasse für die Feuerwehr zu schaffen. Wird nicht mehr lange dauern, bis die Fahrzeuge bei Ihnen eintreffen.«
    »Gott sei Dank«, sagte Steffen. »Halten Sie mich auf dem Laufenden. Werner Ende.«
    Ida nickte stumm in Richtung ihres Assistenten, als Zeichen, dass sie alles verstanden hatte. Sie spürte einen Anflug von Tränen, als sie zur Brockenspitze emporblickte. Ihr war gerade nicht nach Reden zumute. Ihre Kehle fühlte sich an wie zugeschnürt. Was für eine schwarze Nacht.
    Sie spürte, wie Steffen sie an der Schulter berührte. Als sie sich umdrehte, sah sie von Süden her etwas auf sich zukommen. Zwischen den Wipfeln der Fichten hindurch war ein Meer von blinkenden blauen Lichtern zu erkennen, die auf der Waldstraße langsam näher kamen.
    Jede Nacht, und mag sie auch noch so furchtbar sein, endet irgendwann.
     
     
74
     
    Jannah öffnete die Augen. Es war vorbei. Der Dämon hatte sein Werk vollbracht. Michael und die übrigen Mitglieder des unseligen Schamanenzirkels waren tot. Sie hatten sich ins Grabmal des Gilgamesch geflüchtet, sich der irrigen Vorstellung hingebend, dass Hannahs Macht sie dort nicht erreichen konnte. Vielleicht hatten sie die Hoffnung gehegt, die massive Steintür könne ein Hindernis gegen die Wut der Flammen darstellen. Welch grundlegender Irrtum. Der letzte in einer Kette von Irrtümern. Offenbar hatten weder Michael noch die Hohepriesterin jemals ganz verstanden, welche Macht sie da heraufbeschworen hatten. Hannah sah noch immer Michaels entsetzten Ausdruck vor ihrem geistigen Auge, als der Dämon durch die löchrige Materie der Steintür gefahren war wie ein Lichtstrahl durch Glas. Sie konnte noch immer das entsetzte Aufstöhnen der Flüchtlinge hören, als sie dem Wesen befahl, seine Kräfte zu entfesseln. Im Bruchteil einer Sekunde war der Dämon zur Sonne geworden. Haut, Knochen, Stoff, Holz, Gold und Alabaster, alles wurde gleichermaßen in seine elementaren Bestandteile verdampft. Nichts blieb mehr übrig als rotglühende Schlacke und eine Wolke von Staub, die wie schwarzer Schnee zu Boden sank. Hannah hatte all das miterlebt, als wäre sie selbst dabei gewesen. Doch jetzt war es vorbei.
    Hannah trennte ihren Geist von dem des Dämons und kletterte vom Opferstein herab. Eines blieb noch zu tun. Den Dolch fest in der Hand haltend, trat sie langsam zurück. Mit einer letzten Willensanstrengung befahl sie den Dämon zu sich. Sosehr
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