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Neben Der Spur

Neben Der Spur

Titel: Neben Der Spur
Autoren: Ella Theiss
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bio. Man wolle an der wachsenden Nachfrage nach Bioeiern teilhaben, hieß es. Aber dreißigtausend Hühner in einer einzigen Farm – unvorstellbar! Das ist Massentierhaltung wie eh und je, auch wenn man Biofutter in die Tröge gibt und die Tiere ein Mal pro Tag über die Weide scheucht. Die FFA kennt sich aus. Die Hühner werden nervös, hacken sich gegenseitig tot. Und die, die es überleben, aber nicht mehr für die Eierproduktion taugen, werden kopfüber aufgehängt, um sie in fließbandmäßiger Manier köpfen zu können. Die männlichen Küken werden bei lebendigem Leib geschreddert. Bestialisch so was!
    Es war Valentins Idee gewesen, all die Kadaver von einer Hähnchenbratereikette zu klauen, sie wie Demonstranten im Foyer des Firmengebäudes zu gruppieren und mit den Transparenten zu bestücken. Hepp lässt Hühner quälen und Hepp finanziert ein Hühner-KZ hatte er mit Filzstift auf die Pappschilder geschrieben. Die Presse sollte bei der Werksbegehung gestern gegen fünfzehn Uhr darauf stoßen wie auf ein Rätsel und durch die Transparente erfahren, wie doppelzüngig die Firma ist. Zwei von einer lokalen FFA- Gruppe hatten eingewilligt, Valentin zu helfen. Zu helfen, mehr nicht! Stattdessen haben sie ihn benutzt für einen militanten Quatsch. Sprengstoff! Und jetzt ist die Polizei hinter Valentin her. Klar hat er beim Malen der Transparente Handschuhe getragen. Trotzdem könnte man irgendwo Fingerabdrücke von ihm finden.
    Dreckskerle! Valentin würde es seinen angeblichen Freunden allzu gern schriftlich geben. Dreckschweine würde er am liebsten schreiben, aber es gibt diesen Ehrenkodex, dass Tiernamen nicht als Schimpfwörter herhalten dürfen. Daran hält sich Valentin eisern. Aber mieses Gesocks könnte er in sein Handy tippen und als SMS verschicken. Ja, wozu hat man auch ein Handy, wenn man damit nicht wenigstens ab und an seiner Empörung Luft machen kann? Aber eine SMS wäre unklug, hat Rolf erklärt. Die beiden FFA- Leute könnten die Nachricht der Polizei zeigen und damit wäre klar, dass er beteiligt gewesen war. Zumindest als Mitwisser.
    »Nimm an, du wärst unschuldig«, hat Rolf gesagt. »Was würdest du dann tun? Nichts würdest du tun. Du würdest, wie du deiner Tante weisgemacht hast, durch Spanien pilgern und dich von Zeit zu Zeit mit lakonischen Sprüchen über die tolle Landschaft und die Blasen an deinen Fersen melden. Und genau das musst du tun.«
    Rolf ist klug! Klüger als Valentin. Und vor allem cooler. Er ist Valentin nicht mal böse, scheint ihn sogar ein bisschen zu verstehen. Hat ihm gestern Nacht noch was zu essen gebracht. Bananen, Tofu, Oliven und Brot. Sogar ein Sudoku-Heftchen und einen Bleistift. Das ist gut, denn die mitgebrachte Lektüre, Tiere essen von Jonathan S. Foer, hat Valentin schon durch. Mit Klebezetteln voller Kommentare hat er das Buch bestückt. Und auf den leeren Blättern hinten hat er den Brief entworfen, den er dem Autor schreiben will: Dear Mr. Foer, as I have just read your book, I want to tell you that I am very impressed of your studies and expertises … Oder heißt es impressed about? Er wird Rolf fragen. Rolf kann sehr gut Englisch.
    Valentin schlägt sein Buch zu, das Sodoku-Heftchen auf, fängt auf den letzten Seiten an. Da sind fast immer die schwersten Rätsel. Dazu genehmigt er sich eine Banane, schält sie, beißt hinein.
    Hier die Eins … dann ist da die Zwei … dort die Fünf, noch mal die Fünf … die Neun, die Acht … falsch! Aber Valentin hat keinen Radiergummi. Den hat Rolf vergessen.
    Seufzend legt Valentin das Heft beiseite. Er kann sich sowieso nicht konzentrieren. Langweilig ist das hier. Noch drei Tage und Nächte muss er ausharren, hat Rolf gesagt. Denn der muss jetzt Gudrun beistehen, bis das Interesse der Medien abebbt. Rolf liebt Gudrun. Oder kümmert er sich bloß um sie, weil er von ihr abhängig ist? So wie Valentin es lange Zeit war. Mit Mitte fünfzig findet man heute keinen Job mehr, hat Rolf neulich behauptet. Deckt er deshalb alles, was Gudrun treibt? Rolf ist feige. Und ein gedankenloser Fleischfresser! Aber wenigstens ist er ehrlich, im Gegensatz zu den anderen.
    Alle haben sie, seit Valentin sich erinnern kann, auf streng vegetarisch gemacht, der ganze Clan. Aber das war nur Schau. Er hat seine Eltern erwischt, wie sie Rehbraten gegessen haben. In einem Gasthof im Schwarzwald war das, als Valentin fünf Jahre alt war. Der Vater hatte, statt laut zu bestellen, für den Kellner sichtbar auf die Speisekarte getippt
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