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Neben Der Spur

Neben Der Spur

Titel: Neben Der Spur
Autoren: Ella Theiss
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vor, wir schreiben eine Stelle aus. Setzen sie auch gleich ins Internet – und auf unsere eigene Website. Eine Stellenanzeige im Tagblatt können wir am nächsten Wochenende zusätzlich schalten, falls sich keine passenden Bewerber melden.«
    »Ach! Und was genau willst du schreiben?«
    »Warte!« Rolf hämmert übermütig auf seine Maus ein. »Hab vorhin etwas entworfen.«
    Der Drucker rauscht los, gebiert einen frischen Bogen.
    »Hier, mein Schatz!«
    Vorhin? Hat er nicht vorhin dieses Onlinespiel gespielt? Seit wann ist er im Büro? Hat er die Nacht über gearbeitet? Sie greift zur Lesebrille in ihrer Jackentasche und liest:
     
    Mitarbeiter/-in für die PR-Abteilung gesucht
     
    Gudrun stutzt: »Haben wir denn eine PR-Abteilung?«
    »Na ja, wenn wir Zuwachs bekommen, schon.«
     
    Ihre Aufgaben: Pressekontakte aufbauen und pflegen, Pressemeldungen und PR-Texte verfassen, die Philosophie unserer Firma, die hohe Qualität unserer Produkte kreativ kommunizieren, Affinität zu Lebensmitteln aus biologischer Erzeugung …
     
    »Affinität kann man aber nicht als Aufgabe formulieren«, bemerkt Gudrun.
    Rolfs Mund zuckt nervös. »Dann schreiben wir eben Affinität entwickeln. «
    Gudrun liest weiter:
     
    Ihr Profil: Studium und Berufserfahrung bei Presse und/oder Agentur (Marken-/Brand- und Consumer-PR) …
     
    »Müssen das so viele Anglizismen sein?«
    »Wenn wir eine junge, modern denkende Person suchen, ja!« Rolfs eisgraue Augen blitzen streng.
    Gudrun überfliegt den restlichen Text. »Hier steht auch was von Eigeninitiative und selbstständigem Arbeiten. Das dürfte Hans-Bernward missfallen.«
    »Sofern er die Anzeige zu lesen bekommt.«
    Rolf lehnt sich in seinem Sessel zurück, legt die Fingerspitzen aneinander. »Ich denke mir, dass der neue Kollege – oder die neue Kollegin – ja, vielleicht wählen wir vorzugsweise eine junge Frau, vordergründig nicht allzu qualifiziert sein sollte. Damit dein Hans-Bernward keinen Verdacht schöpft. Wichtiger sind ihre Beziehungen und ihre Einstellung. Motiviert muss sie sein, dynamisch, extrovertiert, das vor allem.«
    »Du willst ihn austricksen?«
    »Sieh’s mal als eine Art Intelligenztest. Wir lassen ihn ja bei der Auswahl mitbestimmen. Ein bisschen.«
    Gudrun weiß nicht, ob sie beeindruckt oder empört sein soll.
    »Hmmm, Schätzchen«, haucht Rolf, kommt auf sie zu und streicht ihr über die Wange, so zärtlich wie lange nicht mehr. Gudruns Knie werden weich, halb vor Müdigkeit, halb vor Erregung.
    »Es is mir gelunge, bei alle Mitarweider e positives Kaamaa zu wecke«, jubelt Frau Fried, die ihren Kopf durch die Tür steckt – und errötet.

Valentin Hepp versteht die Welt nicht mehr. Wenn er sie denn je verstanden hat. In einer Frankfurter Bauruine muss er sich verstecken, hoch oben im zwanzigsten Stock. Damit er von den umliegenden Gebäuden aus nicht gesehen werden kann. Die Halle, in der er auf seiner Luftmatratze kampiert, hat vielleicht einmal ein repräsentativer Konferenzraum werden sollen. Dem Bauherren, heißt es, sei das Geld ausgegangen. Also ist Valentin nur umgeben von ein paar schmutziggrauen Betonsäulen, die aus dem blanken Estrich ragen. Manchmal, wenn er aufwacht, möchte er ihnen guten Tag sagen. Sie sind das einzig Aufrechte in diesem Umfeld. Ein paar Wolldecken hat Rolf ihm gebracht, denn dieser Juli ist kühl, für die Jahreszeit viel zu kühl. Die Fenster sind schon eingelassen in den Bau und Gott sei Dank unzerbrochen.
    Manchmal, am frühen Abend, wenn das Industrieviertel sich geleert hat, wagt Valentin den Blick hinaus. Weit im Westen ist Mainz zu erkennen, sogar Bodenheim ist zu erahnen, wo er ein paar glückliche Kindheitsjahre verbracht hat. Und südlich, das ist Offenbach, wo seine Freunde von der Force Free Animals wohnen, der FFA, wie sie sich abkürzen. Dort haben sie bei Bier und Kartoffelchips den Plan ausgeheckt. Freunde? Von wegen Freunde! Betrogen haben sie ihn. Benutzt!
    Von Sprengstoff war nie die Rede. Er wollte doch nur der Firma, speziell seiner ignoranten Tante, einen Schreck einjagen. Zu Recht. Sie machen irgendwas Gemeines mit Hühnern, sperren sie ein, beuten sie aus, bringen sie um. Das hat Valentin vor Wochen rausgefunden. Die Dokumentation über die aktuelle Mortalität durch Federpicken der unter Stress stehenden konventionell gezüchteten Hybriden lag offen auf Onkel Bärs Schreibtisch rum. Ganz plötzlich hat sich die Firma Hepp in eine Legefarm mit dreißigtausend Tieren eingekauft, angeblich alles
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