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Nebelriss

Nebelriss

Titel: Nebelriss
Autoren: Markolf Hoffmann
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Vorsichtig streckte er die Hand aus und richtete eine Silberstele gegen die Goldei; flüsterte unverständliche Worte in die Nacht, ordnete die wilden Sphärenströme, die ihn umgaben.
    Dumpf barst das Holz, als die Goldei das Tor mit bloßen Gesten zerspringen ließen. Der Zauberer stöhnte auf. Gegen die Macht dieser Wesen kam er nicht an. Er verfluchte sie, verfluchte sich selbst und die Tatsache, dass er sie nicht aufhalten konnte.
    Er besann sich der Stele in seiner Hand. Mit einem Schrei der Verzweiflung trümmerte er sie auf den Steinfußboden. Blut schoss aus seinen Fingerkuppen.
    Ein donnernder Klang peitschte durch die Luft, als der Zauber auf die Goldei niedersank. Direkt vor dem Tor schob sich eine Wand aus gleißend grünem Licht aus der Dunkelheit. Jene Goldei, die sich zu weit vorgewagt hatten, wurden von ihr- zerrissen. Todesschreie gellten durch die Nacht.
    Kurze Zeit schienen die Goldei irritiert. Aufgeregt zischten sie sich Befehle zu, und als von den Zinnen des zweiten Turmes erneut Pfeile auf sie niedergingen, fielen etliche von ihnen. Doch dann stellten sie sich schützend nebeneinander auf und rissen ihre goldenen Schilde empor. Fauchend suchte einer von ihnen das Loch in der Sphäre, welches der Zauber gerissen hatte.
    Der Turm erbebte. Der Zauberer brach zu Boden, und seiner Hand entglitt die Stele, als unter ihm das Gestein auseinanderklaffte und ihn verschlang. Mit letzter Kraft zeichnete er eine Warnung in die Luft. Dann barsten seine Knochen, wurde sein Körper zermalmt. Jäh brach vor dem Tor die Wand aus Licht in sich zusammen und erlosch.
    Mit heiserem Gebrüll stürmten die Goldei in den Hof.
    »Laghanos, entzünde die Kerzen!«
    Niemals zuvor war Laghanos hier gewesen, im Heiligtum der Universität. Es war ein kuppelähnliches Gewölbe, der tiefste Punkt des Höhlenkomplexes. Die Wände bestanden aus grauem Kristall, sodass das Licht der Kerzen, welche im feuchten Erdboden steckten, sich brach und funkelte. Kalt kroch der Lehm zwischen Laghanos' Zehen empor, als ob Würmer sich zum Licht streckten. Den Raum der Kraft betrat man nur mit bloßen Füßen.
    Erst im siebten Jahr war es den Eleven gestattet, der Quelle gegenüberzutreten. Die Gefahr war zu groß, dass sie den unfertigen Geist der Schüler erfasste und mit sich riss, selbst wenn der Rauch der Blutkerzen und die Kraft der Silberstelen sie in Zaum zu halten vermochten. Laghanos schwitzte, als er mit seiner Fackel die Kerzen entflammte, die Sorturo ihm gereicht hatte. Oft hatte Sorturo ihm von der Quelle erzählt; dass sie mächtig war, heimtückisch und gefährlich, und dass man sie fürchten sollte. Und er fürchtete sich, nun, da er nur wenige Schritte von ihr entfernt war. Er spürte sie in der Mitte des Gewölbes lauern: die Träne des Nordens, das Auge der Allmacht, der schlummernde Diener der Hügelfeste. Die Luft atmete … er konnte sie sehen, konnte sie spüren. Sie hatte ihn sofort bemerkt, als er hinter Charog und Sorturo die Höhle betreten hatte. Sofort hatte sie ihre Aufmerksamkeit auf ihn gerichtet. Voller Angst umklammerte Laghanos die Kerzen, die er in den Händen hielt. Heißes rotes Wachs troff an seinen Fingern herab wie zähes Blut.
    »Hab keine Angst vor ihr«, raunte Sorturo, der das Buch auf einem steinernen Pult aufgeschlagen hatte. Er vermied es, Charog anzusehen, der mit ausgestreckten Armen behutsam ein Loch in die Hülle der Sphäre riss. Der Großmeister presste angestrengt die Zähne aufeinander. Immer wieder sah er sich nach Sorturo und Laghanos um, bedachte vor allem den jungen Schüler mit angstvollen Blicken.
    »Der Junge«, stieß er hervor, »willst du ihn nicht doch herausschicken, Sorturo?«
    »Er bleibt bei uns«, sagte Sorturo entschieden.
    Charog schüttelte den Kopf. »Es ist zu gefährlich! Sie hat ihn schon gewittert. Sie spürt, dass er zu schwach ist und zu jung!«
    »Laghanos ist nicht zu schwach«, widersprach Sorturo. »Er ist mein Schüler, und ich habe ihn alles gelehrt, was er wissen muss, um der Träne des Nordens standzuhalten.« Er wandte sich Laghanos zu. »Du darfst keine Angst zeigen, hörst du? Denke an alles, was ich dir beigebracht habe. Und nun lass die Fackel beiseite.« Laghanos nickte. Er strich sich über die kurzen schwarzen Haare und legte die Fackel zu Boden. Die Flamme knisterte, als sie den nassen Lehm berührte. Entschlossen richtete er sich wieder auf und starrte auf die Blutkerzen in seiner Hand.
    Charog kniff die Augen zusammen. Erneut wollte er seine
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