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Nebelriss

Nebelriss

Titel: Nebelriss
Autoren: Markolf Hoffmann
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des Goldei schloss sich mit einem scharrenden Geräusch um das Eisen.
    Die Universität von Larambroge lag weit entfernt von der Stadt auf einem Hügel. Sie wirkte klein mit ihren zwei dünnen Türmen und den flachen Mauern, die den Innenhof umgaben. Doch jeder wusste von den zahllosen Schächten, die in das Innere des Erdreichs führten, den Gängen und Kammern, die sich durch den Hügel zogen. Hier war der Nebel dichter. Die Wachtposten konnten kaum die Hand vor Augen erkennen. Sie standen nebeneinander, ihre Lanzen mit schweißnassen Fingern umklammernd. Der Wind pfiff ihnen um die Ohren. Panisch blickten sie hin und her, kniffen die Augen zusammen, um etwas zu erkennen. Dort … ein Schatten … Irgendwo am Fuß des Hügels lauerten die Goldei.
    Einer der Zauberer versuchte den Nebel zu bannen. Angestrengt schwang er sein silbernes Amulett, das er vom Hals genommen hatte, durch die Luft, wollte den Nebel niederringen. Für wenige Sekunden wichen die Schwaden zurück, ballten sich zusammen, nur um neuem Nebel Platz zu machen, der sich den Berg empor schob. Die Zauberkunst der Goldei war nicht zu brechen.
    Ein Rascheln war zu hören. Die Wächter zuckten zusammen, und einer von ihnen verlor die Nerven. »Bleibt stehen!«, schrie er, und seine Stimme überschlug sich. »Wagt es nicht heraufzukommen!«
    Ein leises Lachen drang aus dem Nebel. Die Lanzen schössen nach vorne. Noch immer war nichts zu sehen. »Feiges Echsenpack!«, brüllte ein zweiter Wächter.
    Das Gelächter verstummte. Eine Stimme zischte aus weiter Ferne: »Feige … feige nennst du uns, aber zittern tust du … weißt doch, wie nahe wir sind!« Dann, von einer anderen Seite: »Warum lasst ihr nicht dies dumme Spiel … habt es doch längst verloren … warum lasst ihr nicht eure Waffen fallen … müsst nicht sterben, weil euch die falschen Zauberer dazu treiben …« Eine andere Stimme fiel ein: »Sie muss uns gehören … Drafur muss frei sein …« Und voller Zorn: »Lasst uns hindurch … lagst uns hinein … ihr müsst nicht sterben … wenn ihr nur Vernunft annehmen wollt…«
    Der Zauberer verlor die Beherrschung. Mit einem zornigen Ruf schleuderte er die Hand, mit der er sein Amulett umklammerte, nach vorne, in die Richtung, aus der er die Stimme vernommen hatte.
    Der Nebel vor ihm wirbelte auf. Ein Schrei war zu hören, unmenschlich, schmerzverzerrt. Dann klatschte in dicken Tropfen Blut aus dem Grau, rann an den erstarrten Gesichtern der Wachen herab.
    Mit zitternder Hand warf Charog das Buch in die Flammen. Schnell fing das brüchige Pergament Feuer. Eine schwarz glänzende Schicht überzog die sich kräuselnden Seiten, und Rauch stieg in dicken Schwaden auf. Charog weinte. Die Tränen liefen ihm an den faltigen Backen herab. Kraftlos strich er sich über die nackte Stirn, auf der Schweißtropfen perlten. »Vierhundert Jahre alt war dieses Buch! Vierhundert Jahre; nun verschlingt es das Feuer in wenigen Sekunden!«
    Seit Stunden schon brachten die Eleven Bücher und Schriftrollen in den schmalen Innenhof der Universität. Viel zu spät hatte Charog sich zu diesem Schritt durchgerungen, erst als feststand, dass König Eshandrom sein Heer angewiesen hatte, die Waffen niederzulegen. Mit leiser Stimme hatte Charog den Befehl verkündet, die Bibliothek zu zerstören.
    Er scharrte mit den Füßen in der Asche, die inzwischen knöchelhoch den steinernen Boden bedeckte. Die Bücher des Thamin Ernan - zu Asche geworden! Die Thesen Arquan des Blinden - zu Asche geworden. Die Weisungen des großen Durta Slargin, des Gründers der Logen, der vor langer Zeit die Quellen gebändigt hatte. »Nichts bleibt zurück; für immer vernichtet ist all dies Wissen«, flüsterte Charog und starrte in die Flammen. Erneut traten Schüler in den von Fackeln erleuchteten Hof, mit den Armen Berge von Pergament umklammernd. »Großmeister!«
    Einer der Wächter hatte sich Charog genähert. In seinen Augen glitzerte Furcht. »Man meldet, dass sie den Hügel erklimmen. Es sollen über zweihundert sein!«
    Charog schwieg. Seine Augen waren auf einen Schüler gerichtet, der neben ihm stand, den Blick gedankenlos abgewendet, die Arme ausgebreitet. Von der heißen Luft getragen, stob das Papier aus seinen Händen, wirbelte über das Feuer, das gierig danach griff.
    »Sie sind bereits am Hügel, heißt es!« Die Stimme des Wächters klang wie ein Flehen. »Großmeister! Wir können doch nicht warten, bis sie uns …«
    Charog beachtete ihn nicht. Stattdessen packte er den
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