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Nebelriss

Nebelriss

Titel: Nebelriss
Autoren: Markolf Hoffmann
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sie Reptilien: ölig glänzende Schuppenhaut, der Kopf einer Raubechse, der stachelbewehrte Schwanz, der einem Pendel gleich über den Boden strich. Ihre Augen waren kalt und leer, wenngleich sie in allen Farben des Regenbogens schillerten.
    Klirrend fielen zwei Dolche auf den Haufen, der sich vor der hölzernen Tribüne gebildet hatte. Die Garde des Königs entwaffnete sich selbst. Helme, Schwerter, Bögen; manche legten sie vorsichtig auf den Boden, andere warfen sie hinfort - die einzige Form von Rebellion, zu der ihr Mut reichte. In ihren Augen las man Hass. Hass auf die Eindringlinge und Hass auf den König, unter dessen Augen dies alles geschah.
    König Eshandrom hatte einen weißen Pelzmantel umgelegt. Mit eingefallenen Schultern stand er auf der Holztribüne. In der linken Hand hing kraftlos das königliche Schwert, jenes Schwert, das man das ›Einende‹ nannte, geschmiedet für den Herrscher des kathygischen Volkes. Viele erinnerten sich an den Tag, als sie es zum letzten Mal erblickt hatten; vor wenigen Wochen, am Blutgerichtstag. Der Klang dunkler Pauken hatte über den Platz gehallt, und die kathygischen Adligen hatten Gericht gehalten über den Verräter Pushindra, der den König hatte stürzen wollen; der behauptet hatte, Kathyga werde dem Ansturm der Goldei nicht standhalten können; der vorgeschlagen hatte, sich den Echsen zu ergeben, um nicht dasselbe Schicksal zu erleiden wie Gyr und Candacar, die sich widersetzt hatten. Eshandrom selbst hatte ihn enthauptet. Er hatte das Einende Schwert empor gerissen mit Pushindras Kopf, so daß ihm das Blut an den Armen herab gelaufen war. Tod unseren Feinden, Tod und Verderben den Goldei und jenen, die ihnen die Wege ebnen! So hatte er es seinem Volk versprochen, der König, um es ein halbes Jahr darauf den Goldei selbst auszuliefern, wie Pushindra es gefordert hatte.
    Neben Eshandrom standen zwei kathygische Barone, die einzigen, die es gewagt hatten, nach Larambroge zu kommen. Sie hatten zwischen dem König und den beiden Goldei, die das Podest erklommen hatten, Aufstellung genommen, gaben sich den Anschein, als wären sie zum Schutz des Königs bei ihm. Denn die Leibritter, die sonst an Eshandroms Seite harrten, waren geflohen. Es hieß, dass sie sich nach dessen Verrat wutentbrannt von ihrem König losgesagt hätten.
    Die zwei Goldei, die neben den Adeligen standen, unterschieden sich von den übrigen Echsen. Sie waren schmächtiger gebaut; ihre Schuppenhaut war kupferrot, nicht grün oder gelb. Ihre Augen waren schmal und tiefschwarz. Sie waren in purpurne Tücher gehüllt, und statt Schwertern trugen sie seltsam geformte Messer an den Gürteln. Flüchtlinge aus Candacar hatten das Gerücht verbreitet, dass es nur eine Hand voll dieser roten Echsen gebe; dass sie die Anführer der Goldei seien, vielleicht gar als Götter verehrt würden. Die Candacarer nannten sie ›Scaduif‹; dies bedeutete ›die Rotgeschuppten‹.
    Aufmerksam beobachteten die Scaduif, wie König Eshandrom sich aufrichtete. Sein langes dunkles Haar wehte im Wind und fiel ihm in das bärtige Gesicht. Sein Blick traf die Goldei. Die Echsen verharrten regungslos. Nur die schuppige Haut an ihren Hälsen zog sich in Falten.
    Langsam wandte der König sich seinem Volk zu. »Kathyga ist frei!«, klang seine Stimme über den Platz, nur leicht verzerrt vom Wind. Verständnislos lauschte das Volk seinen Worten. »Kathyga ist frei und wird es immer bleiben!« Er tauschte einen kurzen Blick mit den Goldei aus. »Ich habe euch geschworen, dieses Land gegen jeden Feind zu verteidigen, der es wagt, einen Fuß über Kathygas Grenze zu setzen. Doch die Goldei sind nicht als Feinde gekommen. Haben wir sie auch gefürchtet und gehasst - der heutige Tag soll beweisen, dass wir den Frieden mit ihnen suchen.« Er hob das Einende Schwert empor. »Wir wollen uns ihrer Macht beugen, nicht aus Zwang, sondern aus freiem Willen. Kathyga wird frei bleiben, und ich werde euer König sein, jetzt und immer.« Er richtete das Schwert auf den Kopf des Adeligen neben seiner Seite. Dieser senkte den Blick; kurz, ganz kurz nur. Dann küsste er die Spitze, und der andere trat vor und tat es ihm gleich.
    Die Augen der Menschen hingen an ihrem König. Eshandrom zog das Schwert zögernd an sich. Umschloss es mit beiden Händen, so als wollte er es doch noch zum Kampf schwingen, den Echsen mit einem Hieb den Kopf vom Hals trennen. Dann aber ließ er die Arme sinken und reichte dem Rotgeschuppten das Einende Schwert. Die Klaue
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