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Nebelfront - Hinterm Deich Krimi

Nebelfront - Hinterm Deich Krimi

Titel: Nebelfront - Hinterm Deich Krimi
Autoren: emons Verlag
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Christoph.
    »Das ist ein ganz Netter. Mit dem versteht er sich gut.« Sie rief:
»Armin.«
    Kurz darauf kam Lenny angetrottet.
    »Hallo, Armin. Erkennst du uns wieder?«, fragte Christoph.
    Lenny nickte.
    »Er ist ein lieber Kerl, wenn auch auf dem Stand eines achtjährigen
Kindes. Jeder liebt ihn, nicht, Armin?« Sie sah ihren Sohn an, der teilnahmslos
auf dem Stuhl saß und mit seinen Fingern spielte. »Ich seh das nicht gern, dass
er immer aufm Friedhof unterwegs ist. Auf seinen Namen hört er nicht mehr.« Sie
spitzte leicht die Lippen. »Eh, Lenny.« Dann lockte sie ihn mit dem
Zeigefinger. »Komm zu Mama.«
    Ein Lächeln huschte über Lennys Gesicht. Er stand auf und schlang
seine Arme um die dürre Gestalt seiner Mutter, dass von der kaum noch etwas zu
sehen war.
    »Sehn Sie. Das mein ich. Ich bin nicht mehr die Jüngste.
Sechsundsiebzig. Was soll aus Lenny werden? Der braucht ganz viel Liebe. Die
gibt er auch zurück.« Sie fuhr ihm vorsichtig mit der Hand über den Kopf. Als
sie aufhörte, beklagte sich Lenny.
    »Weiter.«
    Frau Lennartz verdrehte die Augen und setzte das Streicheln fort.
    »Wir würden gern mit Lenny sprechen«, sagte Christoph. »Es wäre für
uns wichtig.«
    »Ich weiß nicht«, zeigte sich seine Mutter skeptisch.
    »Dazu bedarf es Ihrer Zustimmung. Natürlich sollen Sie dabei sein.«
    Die Frau war immer noch ratlos. »Na schön«, sagte sie schließlich.
»Aber wenn ich sag: aufhören, dann ist Schluss.«
    Christoph stimmte zu und wollte zu einer Frage ansetzen, als Große
Jäger ihm ein Zeichen gab.
    »Du bist oft auf dem Friedhof?«, fragte der Oberkommissar mit einer
ungewohnt sanften Stimme.
    Lenny ließ von seiner Mutter ab und nickte. »Mein Friedhof«,
erklärte er mit Bestimmtheit. »Alles meine Freunde. Alle. Männer und Frauen.«
    »Meinst du die Toten? Oder auch die Besucher?«
    »Alle.«
    »Wann bist du heute Morgen zum Friedhof gegangen?«
    »Ich bin schlau«, sagte er und strahlte. »Ich krabbel durch das
Loch. Mein Loch.«
    »Gleich hinterm Haus ist der Zaun zum Friedhof. Da ist ein Loch
drin. Da kriecht Armin durch«, erklärte die Mutter.
    »Hast du das Loch gemacht? Oder ist das schon länger da?«, wollte
der Oberkommissar wissen.
    »Mein Loch«, antwortete Lenny.
    »Du bist heute Morgen durch das Loch auf deinen Friedhof gegangen.
Stimmt das?«
    Lenny nickte. »Mama schläft noch. Ist morgens immer müde. Ich bin
leise.«
    »Ich mach abends sauber. Beim Baumarkt, hinten im Gewerbegebiet«,
mischte sich Frau Lennartz ein und erntete dafür einen erstaunten Blick der
beiden Beamten.
    »Mit sechsundsiebzig?«, entfuhr es Große Jäger. »Haben Sie nicht
Ihren Ruhestand verdient?«
    Sie winkte ab. »Wissen Sie, wie teuer das alles ist? Jedes Jahr muss
ich mehr zahlen. Für Strom. Heizung. Für alles. Ich krieg doch nix an Rente.«
    Die beiden Beamten nickten stumm.
    »Ich hab fast nichts eingezahlt. Dafür gibt’s jetzt nur ein paar
Euro. Ich musste mich um Lenny kümmern. Hab meistens ohne Karte geputzt.«
    »Lenny ist Ihr einziges Kind?«
    »Ja«, bestätigte sie nach langem Zögern. »Er ist jetzt
einundvierzig.«
    »Und der Vater?«
    Sie lachte so schrill auf, dass Lenny seiner Mutter einen
ängstlichen Blick zuwarf. »Der ist von Adel. Auf und davon.«
    »Ist dir irgendetwas aufgefallen heute Morgen, als du zu deinem
Friedhof gegangen bist?«, fuhr Große Jäger mit der Befragung des jungen Mannes
fort.
    »Dunkel. Nebel.«
    »Hast du Leute gesehen?«
    Lenny nickte. »Ja.«
    »Wie viele?«
    »Einer.«
    »Wie sahen die aus?«
    »Wie Henry.«
    »Wer ist Henry?«
    »Henry Vollstedt, der Friedhofsarbeiter«, mischte sich seine Mutter
ein.
    »Was hat Henry gemacht?«
    »Er ist mit der Karre den Weg lang.«
    »Zum offenen Grab?«
    Lenny lachte herzhaft. »Hab ich Henry gezeigt. Er hat’s nicht
gesehen.«
    »Du hattest das offene Grab vorher entdeckt?«
    »Lenny ist schlau.«
    Christoph bewunderte seinen Kollegen, der sich auch in schwierigen
Situationen nicht beirren ließ.
    »Hast du noch andere Leute gesehen?«
    Lenny spielte gedankenverloren mit der Tischdecke. Er bog den Zipfel
hoch und kicherte leise, als die Decke wieder zurückfiel, nachdem er sie
losgelassen hatte. Sie ließen ihm Zeit. Nach einer ganzen Weile wiederholte der
Oberkommissar seine Frage.
    »Heute Nacht. Bin plötzlich wach geworden.« Es klang wie eine
Beschwerde.
    »Hat dich ein Geräusch geweckt?«
    »Kein Geräusch. Ein Mann.«
    Große Jäger rückte ein Stück auf seinem Stuhl vor, Lenny
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