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Nebelfront - Hinterm Deich Krimi

Nebelfront - Hinterm Deich Krimi

Titel: Nebelfront - Hinterm Deich Krimi
Autoren: emons Verlag
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und auch der Tisch war voll davon.
    »Dürfen wir uns setzen?«, fragte Große Jäger, und um der
unausgesprochenen Frage »Warum?« zuvorzukommen, fügte er an: »Im Sitzen spricht
es sich besser.«
    Sie nahmen auf dem Sofa Platz, das mit einer Wolldecke abgedeckt
war. Kruschnicke ließ sich in einem der tiefen Sessel nieder. Er legte die
Hände mit der Innenfläche auf die Oberschenkel und ballte sie zur Faust. Dann
öffnete er sie wieder, um von Neuem zu beginnen. Bei jeder Bewegung zuckten
seine Mundwinkel.
    »Sie kannten Dr. Hasso Pferdekamp?«
    Kruschnicke sah Christoph an, als hätte er die Frage nicht
verstanden.
    Christoph wiederholte sie. »Sie sind auf dem Friedhof als
Berechtigter für das Grab eingetragen.«
    Statt einer Antwort murmelte Kruschnicke kaum hörbar: »Hasso
Pferdekamp.«
    »Waren Sie mit ihm verwandt? Sind Sie ein Neffe?«
    Kruschnicke stierte auf seine sich unablässig bewegenden Hände.
    »Verwandt? Ich?« Ohne aufzusehen, sagte er schließlich. »Er hat hier
gewohnt.«
    »Mit Ihnen zusammen?«
    »Bis zu seinem Tod. Plötzlich war er tot. Ganz friedlich. Hat da
gesessen.« Er zeigte auf den zweiten Sessel, über den eine weiße Decke
ausgebreitet war, als solle er vor Staub geschützt werden. »Es sah aus, als
schliefe er. Dabei war er tot. Einfach so.«
    »Sie haben also schon früher mit Dr. Pferdekamp
zusammengewohnt«, schloss Christoph aus der Bemerkung. »Haben Sie sich um ihn
gekümmert? War er pflegebedürftig?«
    »Er? Ich um ihn?« Es erklang ein meckerndes Lachen.
    »Noch einmal. Sind Sie mit ihm verwandt gewesen?« Christoph ließ
sich nicht aus der Ruhe bringen.
    »Ja. Nein. Weiß nicht.«
    »Mensch«, fuhr Große Jäger aufgebracht dazwischen und bohrte sich
demonstrativ mit dem rechten Zeigefinger im Ohr. »Der sabbelt wie ein
Marktweib. Der ist ja im Redefluss kaum zu bremsen.«
    Kruschnicke schien den Sarkasmus gar nicht wahrgenommen zu haben.
    »Haben Sie das vorhin verstanden? Wir haben nach dem Grab gefragt.
Das ist heute Nacht geschändet worden.«
    Der Mann starrte Christoph verständnislos an. »Hassos Grab. Ja. Das
ist auf dem Friedhof. Gleich drüben. An der Flensburger. Ein schönes Grab.« Ein
versonnen wirkendes Lächeln huschte über das Gesicht Kruschnickes.
    »Das Grab ist heute Nacht aufgebrochen worden. Man hat den Sarg
freigelegt und dann …« Christoph brach ab.
    »Das geht doch nicht. Hasso ist doch schon tot.«
    Die beiden Beamten wechselten einen raschen Blick. Als Große Jäger
sich sicher war, dass Kruschnicke ihn nicht beobachtete, machte er mit der Hand
eine Wischbewegung vor seiner Stirn. Christoph breitete die Hände aus und
signalisierte mit dieser Geste Ratlosigkeit.
    »Leben Sie hier allein?«, wechselte er das Thema. Um sicherzugehen,
dass der Mann ihn verstand, ergänzte er: »In diesem Haus.«
    »Das ist mein Haus.«
    Christoph seufzte. »Sie haben es geerbt. Von Dr. Pferdekamp?«
    »Alles meins.«
    »Was machen Sie beruflich?«
    Kruschnicke hörte mit dem Ballen der Fäuste auf. »Nix«, sagte er. Es
klang beiläufig.
    »Wovon leben Sie?«, wollte Große Jäger wissen.
    »Leben?« Es klang nachdenklich. »Ich? Leben?« Er schloss die Augen und
versank in sich. »Ja. Ich lebe noch.«
    »Sie lieben Blumen?«, wechselte Christoph erneut das Thema.
    Ein Ruck durchfuhr Kruschnicke. Seine Augen bekamen einen nahezu
strahlenden Glanz.
    »Die habe ich alle selbst gepflanzt. Fast alle. Ich pass gut auf sie
auf. Im Sommer bin ich den ganzen Tag im Garten. Im Winter ist das hier mein
Garten.« Er stand auf und ging zur Fensterbank. Sanft fuhren seine
Fingerspitzen über die langen Blätter, als würde er sie liebkosen. Plötzlich
drehte er sich um. »Das ist eine Bromelie. Auf Lateinisch heißt sie Bromeliaceae , ein Ananasgewächs. Wussten Sie, dass
Christoph Kolumbus die Ananas nach Europa gebracht hat?«
    »Und die Pflanze daneben?«, fragte Christoph.
    Kruschnickes Hand wanderte einen Topf weiter. »Die hier?«
    Nachdem Christoph genickt hatte, erklärte der Mann. »Das ist ein Anthurium andraeanum. Wir nennen sie ›Große Flamingoblume‹.
Die kommt aus Mittel- und Südamerika. Die hat ein wunderbares rotes, fast
violettes Blütenblatt und einen langen weißen Blütenstand.«
    »Die Blumen sind Ihre Welt.«
    Kruschnicke schien wie verwandelt. Nachdenklich nickte er. »Sind sie
nicht wundervoll?«
    Christoph räusperte sich und deutete Große Jäger durch eine
Handbewegung an, dass der sich zurückhalten solle.
    »Haben Sie auch
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