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Nazigold

Nazigold

Titel: Nazigold
Autoren: Paul Kohl
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Passfoto. Es trifft ihn wie ein Keulenschlag:
Sein ehemaliger Schulkamerad Anton ist tot, ermordet. Während ihrer Schulzeit
waren sie Freunde, doch danach hatte er als Jugendlicher kaum noch Kontakt mit
Nafziger. Und erst recht nicht als Erwachsener, da Nafziger sich ab 1933 für
die Nationalsozialisten begeisterte. Von da an war ihm sein Schulfreund Anton
endgültig fremd geworden. 1937 war er freiwillig zu den Gebirgsjägern gegangen
und in die Mittenwalder Kaserne eingezogen. Zufällig gesehen hatten sie sich
zuletzt vor acht Jahren, kurz bevor Nafziger 1938 mit seinen »Jagern« in
Österreich einmarschierte. Nun also wurde dieser überzeugte Nazi ermordet. Von
wem? Warum?
    Gropper soll nach Mittenwald fahren und die Ermittlungen aufnehmen.
Morgen, am Samstag. Das passt ihm überhaupt nicht. Dazu hat er überhaupt keine
Lust. Vor vielen Jahren schon hat er sich geschworen, Mittenwald nie wieder
sehen zu wollen. Er lehnt den Auftrag ab mit dem Argument, Nafziger persönlich
gekannt zu haben und dadurch nicht neutral ermitteln zu können. Für den
Kripoleiter ist aber gerade das der entscheidende Grund, ihm den Fall zu
übertragen.
    Gropper versucht alle möglichen Ausreden: »Ich bin zu neu. Ich habe
noch keine Erfahrung. Ich weiß gar nicht, wie man ermittelt.«
    Doch wie er sich auch windet, der Kripoleiter redet auf ihn ein:
»Das schaffst du schon. Außerdem haben wir keinen anderen, den wir hinschicken
können. Alle anderen müssen in der Stadt bleiben. Also los. Du kennst die Leute
dort. Warst drei Jahre lang Gendarm in dem Flecken. Vielleicht erzählen sie dir
mehr als einem Fremden.«
    »Oder gerade deshalb überhaupt nichts.«
    »Red nicht. Morgen in der Früh fährst du nach Mittenwald. Du bist
genau der Richtige für diesen Fall«, sagt der Kripoleiter knapp und geht
hinaus.
    Er will nicht, er will nicht wieder in dieses Kaff. Das hat er sich
geschworen, und dabei bleibt es. Er kann Nafzigers Ermordung nicht aufklären.
Er kann nicht all die Menschen, die er von Kindheit an kennt, verdächtigen, sie
vernehmen, bei ihnen nach Beweisen schnüffeln. Außerdem hat er noch Feinde in
Mittenwald aus seiner Zeit als Gendarm. Dass er damals seinen Pflichten
nachgehen musste, werden sie ihm heute heimzahlen. Eine Pleite wird es werden
und nicht sehr förderlich für seine künftige Laufbahn als Kommissar. Gequält
fährt er sich mit den Fingern durch sein blondes gelocktes Haar.
    Polizist wollte Martin Gropper nie werden und schon gar nicht
Kriminalkommissar. Von Jugend an wollte er Förster werden. Doch das hatte ihm
nach dem Tod seines Vaters seine Mutter verboten. Und nur, weil seine Frau
Luise ihn dazu drängte, einen anständigen Beruf auszuüben, hatte er sich bei
der Polizei gemeldet und war 1936 Gendarm in Mittenwald geworden, wo fast jeder
jeden kannte. Geliebt hat er diesen Beruf nie. Allein schon deshalb nicht, weil
er meistens Diebstähle, auch Viehdiebstähle, Einbrüche, Wilderei,
Viehkaufbetrügereien, Milchpantschereien und oft auch Schwarzbrennen aufdecken
musste, Delikte, die entfernte oder nähere Bekannte oder gar Freunde begangen
hatten. Da befand er sich oft in der Zwickmühle. Die Täter baten ihn, die Sache
nicht so ernst zu nehmen und ruhen zu lassen, was er auch hin und wieder tat,
mit nagendem schlechtem Gewissen. Nur wenn die Angelegenheit zu schwerwiegend
war, musste er resolut entscheiden, mit der Folge Strafzahlung oder gar
Gefängnis für die Betroffenen. Das haben sie ihm nie verziehen. So hat er sich
Feinde gemacht, was er gar nicht wollte. Er konnte es keinem recht machen.
    1939 hätte er in die Gestapo eintreten müssen. Das kam für ihn nun
überhaupt nicht in Frage, und so floh er mit seiner schweizerischen Frau Luise
in das nahe St. Gallen, wo ihre Eltern wohnten. Als gelernte
Krankenschwester arbeitete sie dort in einem Hospital und er im selben
Krankenhaus als Rot-Kreuz-Fahrer, weil er als Ausländer keinen anderen Beruf
ausüben durfte. Kurz nach dem Krieg kehrten sie nach Deutschland zurück, nach
München. Wieder auf Drängen seiner Frau bewarb er sich abermals bei der
Polizei, obwohl er immer noch an seinem Traumberuf Förster hing. Als im
Frühjahr 1946 die amerikanische Militärregierung in Bayern die Erlaubnis
erteilte, eine neue deutsche Polizei aufzustellen, benötigte man dringend auch
Kriminalpolizisten. Ab da ging alles wie von selbst. Nach einer
Schnellausbildung war Gropper kurze Zeit Anwärter und plötzlich Kommissar.
Dieser neue Beruf wurde ihm quasi in
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