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Nazigold

Nazigold

Titel: Nazigold
Autoren: Paul Kohl
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den Schoß gelegt.
    Und jetzt soll er für seinen ersten Mordfall ausgerechnet nach
Mittenwald. Man wird es ihm dort übel nehmen, dass er 1939 abgehauen ist. Er
ahnt, was er in Mittenwald zu hören bekommen wird: Fahnenflüchtiger! Deserteur!
Vaterlandsverräter!
    Widerwillig überfliegt Gropper die beiden Berichte. Zuerst den
Obduktionsbefund.
    Zeitpunkt des Todes: Mittwoch, 29.5.1946,
kurz nach Mitternacht. Tod durch einmaligen Schuss, Spitzgeschoss Kaliber 7,92,
mittels des Wehrmachtskarabiners 98k aus circa dreißig Zentimetern Abstand
in die Stirn. Starke Quetschung des Kehlkopfes. Am Hals tiefe Eindrücke durch
eine Nagelsohle. Dennoch kein Tod durch Ersticken. Das mit dem Rücken auf dem
Boden liegende Opfer sollte durch den Druck auf den Hals möglicherweise daran
gehindert werden, den Kopf zu bewegen, um den Schuss gezielt auf die Stirn
abgeben zu können. Der Vorgang legt eine Hinrichtung nahe.
    Wieso Hinrichtung?, fragt sich Gropper.
    Dann nimmt er sich das Protokoll des Erkennungsdienstes vor.
    Tatwaffe: Infanterie-Karabiner 98k mit
Spitzgeschoss Kaliber 7,92. An Kolben, Lauf und Abzugshahn Reste von
Enzianschnaps und Schnupftabakkrümel. Schuhabdrücke von vier Personen auf dem
Teerpappedach der Garage: 2 Paar Nagelsohlen, 1 Paar flache Sohlen
und 1 Paar mit spitzen Absätzen. Im Erdreich hinter der Garage die
gleichen Sohlenabdrücke, die zu einer hohen hölzernen Umzäunung an der
Innsbrucker Straße führen. Aus dem Zaun sind zwei Bretter herausgebrochen.
    Nur Wehrmachtssoldaten tragen Nagelstiefel, überlegt Gropper.
Demnach könnten zwei der Täter ehemalige Wehrmachtsangehörige, eventuell
Gebirgsjäger gewesen sein. Das Schuhpaar mit den spitzen Absätzen könnte
außerdem eine Frau als Täterin einschließen. Die flachen Sohlen lassen sich
nicht zuordnen. Vielleicht stammen sie von einem Amerikaner.
    In einem Gebüsch neben der Garage zwei
Hundert-Dollar-Scheine und ein blau-weiß kariertes, mit Enzianschnaps
getränktes Schnupftuch mit Schnupftabakflecken und anhaftenden Tabakkrümeln.
Vor dem Lokal der blaue Buick Super des Opfers, Limousine, 4-türig, geparkt.
Aufnahmen liegen bei.
    Durch die Hinterlassungen zahlreicher Personen
sind die am Tatort gesicherten Spuren größtenteils zerstört oder unbrauchbar.
In den beschlagnahmten Geschäfts- und Privatordnern keine Hinweise auf
Tatverdächtige. Ebenfalls keine Spuren in den neben dem Büro liegenden sauber
geputzten fünf Fremdenzimmern.
    Resigniert legt Gropper das Protokoll beiseite. Er kommt sich
vor wie der Ochs vorm Berg. Nie wird er da etwas herausbekommen. Zumal er auch
Amerikaner verdächtigen und vernehmen muss. Das aber wird das örtliche CIC nie erlauben und ihn schroff abweisen.
    Gropper wird wieder einmal klar: Er hat den falschen Beruf. Das
wusste er von Anfang an.
    Der Kripoleiter kommt in sein Zimmer und legt ihm einen großen
Umschlag der Spurensicherung auf den Tisch.
    »Schau dir die Fotos an. Dann hast du einen Überblick, was dir
bevorsteht.«
    Gropper will den Umschlag gar nicht anfassen. Dann zieht er doch ein
Foto hervor: ein himmelblauer Buick Super, wie sie in Hollywood-Filmen
vorkommen, eine breite, schwere Limousine, die Reichtum symbolisiert.
Weißwandreifen, hufeisenförmiger Kühlergrill mit senkrechten Chromstäben,
breite Chromstangen. Der Kühlergrill mit den Chromstäben sieht aus wie ein
Haifischmaul. Fehlen nur noch die Palmen und der Meeresstrand.
    »Die Luxuskarosse des Opfers«, sagt der Kripoleiter. »Interessant,
dass er einen solchen Schlitten besessen hat. Also Courage, Gropper. Morgen
geht es los.«
    Gropper sträubt sich immer noch. Doch es hilft alles nichts. Der
Kripoleiter lässt nicht locker, er ermuntert ihn: »Vielleicht kommt dir in
deiner Heimat so manche Idee, die dir hilft bei deinen Ermittlungen. Wer weiß.
Das hab ich auch schon erlebt. Ist doch schön, zu alten Orten zurückzukehren.
Da gab’s doch auch Erfreuliches.«
    Da fällt Gropper seine Jugendliebe Wilma ein. Er sieht wieder ihr
langes braunes Haar vor sich, ihren roten Mund und ihre schön geschwungenen
Lippen. Wilma Gschwandtner, die Metzgerstochter, die Fleisch und Würste hasste.
Wenn Schlachttag war, lief sie den ganzen Tag im Wald herum und kam erst wieder
nach Hause, wenn die ausgeweideten Tiere im Kühlhaus hingen. Sie wollten damals
heiraten und in einem Forsthaus leben, fernab vom Schlachthaus ihres Vaters.
Warum haben sie es nicht getan?
    Sieben Jahre hat er Wilma nicht mehr gesehen. Was ist aus
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