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Nazigold

Nazigold

Titel: Nazigold
Autoren: Paul Kohl
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Horse« – Also doch nicht Wilma? – sage
hiermit Folgendes aus: Ab Ende Juni 1945 war ich im Lokal des Anton Nafziger
als Animierdame und für Gefälligkeiten gegenüber gewissen Kunden tätig. So
verbrachte ich die Nacht von Dienstag, 28.5.1946, zu Mittwoch, 29.5.1946, in
Zimmer Nr. 1 neben Nafzigers Büro im ersten Stock des Lokals gemeinsam mit
George N., dem Adjutanten des CIC -Chefs Humphrey Thompson.
    Das kann unmöglich Wilma sein, denkt Gropper. Nein, sie kann es
nicht sein.
    Kurz vor Mitternacht waren wir die Letzten in
diesen Zimmern. Die anderen Pärchen waren schon gegangen, das Lokal
geschlossen. Der Chef hatte die Schlüssel, um uns unten rauszulassen. Da hörten
wir laute Schritte von zwei Männern die Treppe heraufkommen. Sie trugen schwere
Stiefel. Wir hatten Angst, dass sie in unser Zimmer eindringen. Das wäre vor
allem für George sehr peinlich gewesen, da meine Gefälligkeit für ihn nicht
bekannt werden durfte, zumal in seiner Position als CIC -Adjutant. Da wir uns auf
eine Flucht vorbereiten mussten, zogen wir uns hastig an.
    Die beiden Männer kamen aber nicht zu uns,
sondern drangen polternd in Nafzigers Büro ein. Dann hörten wir einen heftigen
Streit zwischen den beiden Männern und Nafziger. Wir konnten nicht alles
verstehen, nur ein paar Worte wie »Steinriegel«, »Gruben«, »leer«, »Kisten«,
»Säcke«, »Gold«, dann Schimpfworte wie »Sauhund«, »Kameradenverräter«,
»Mistkerl« und so weiter.
    Inzwischen waren wir angekleidet. Das Zimmer hat
eine Tür hinaus zum Balkon. Ich wusste, dass sich darunter Nafzigers Garage
befindet. Damit George nicht entdeckt wurde, wollten wir vom Balkon auf das
Garagendach springen. Dazu mussten wir vorsichtig an Nafzigers Glastür
vorbeischleichen. So konnten wir deutlich beobachten, was in dem hell
erleuchteten Büro geschah.
    Nafziger stand neben seinem Schreibtisch mit dem
Rücken zur Balkontür und richtete sein Gewehr auf die beiden Männer. Da sie in
unsere Richtung schauten, konnten wir ihre Gesichter sehen. Ich habe die beiden
ganz deutlich erkannt. Es waren Anton Feigl und Jörg Kilian. Ich kenne die
beiden seit vielen Jahren.
    Plötzlich gab es ein Handgemenge, und Nafziger
lag rücklings auf dem Boden, das Gewehr neben ihm. Feigl trat mit einem Stiefel
auf Nafzigers Kehle, wohl um seinen Kopf festzuhalten, während Kilian mit der
linken Hand das Gewehr aufhob und Nafziger in den Kopf schoss. Ein Mal. Wir
haben noch gesehen, wie Kilian das Gewehr auf Nafzigers Brust legte und Feigl
aus Nafzigers Brusttasche ein Bündel Geldscheine nahm, das sie aufteilten und
in ihre Hosentaschen stopften.
    Das ging alles sehr schnell, und wir mussten nun
schleunigst abhauen, damit die beiden uns nicht entdeckten. Wer weiß, was sie
mit uns gemacht hätten. Wir sprangen also auf das Garagendach und von dort
runter auf die Erde und rannten in Richtung Innsbrucker Straße zu einem
Bretterzaun. Daraus waren zwei Bretter herausgebrochen, durch die schlüpften
wir hindurch und dann schnell weg. Ich zu meiner Wohnung und George zu seiner.
Wir waren von allem so geschockt, dass wir uns gar nicht verabschiedet haben.
George wurde zwei Tage darauf in die USA abgeschoben, damit er nicht als Zeuge aussagen kann. Und ich habe
aus Angst vor Feigl und Kilian bis heute meinen Mund gehalten.
    Ich bestätige, dass ich die volle Wahrheit gesagt
und nichts verschwiegen oder falsch berichtet habe. Ferner bestätige ich, dass
ich meine Aussage durchgelesen und nichts weiter hinzuzufügen habe.
    Der Betonboden unter Groppers Füßen scheint zu schwanken. Sein
erster Gedanke: Wenn Feigl und Kilian erfahren, dass sie es war, die sie
verraten hat, werden sie sich an ihr rächen. Hoffentlich passiert ihr nichts!
    Neben Wilmas Aussage liegen weitere Blätter. Es sind die
Geständnisse von Feigl und Kilian. Er zieht sie zu sich heran, kann sie aber
noch nicht lesen. Immer noch hallt in seinem Kopf das gerade Gelesene.
    Schließlich beugt er sich über die maschinengeschriebenen Seiten.
Datiert sind sie auf denselben Tag wie Wilmas Aussage. Buchner hat die beiden
also sofort nach Wilmas Beschuldigung vernommen.
    Als Erstes sucht Gropper den Tag ihrer Entlassung: Montag, der 27. Mai
1946. Endlich hat er das genaue Datum. Dann liest er das Protokoll. Was
wirklich passiert ist, schildern die beiden so: Nach ihrer Entlassung fuhren
Feigl und Kilian sofort zum Steinriegel hinauf, fanden dort aber alle zwölf
Gruben vollkommen leer vor. Sie verdächtigten Nafziger und wollten
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