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Natalia, ein Mädchen aus der Taiga

Natalia, ein Mädchen aus der Taiga

Titel: Natalia, ein Mädchen aus der Taiga
Autoren: Heinz G. Konsalik
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vielfältigen Stimmen der Natur unterbrochen wird.
    In diese Einsamkeit hinein haben Menschen kleine Städte wie Batkit oder Mutorej gebaut. Fragt man sie, warum, so können sie keine Antwort außer der geben, daß sie ihre Eltern auch vergeblich danach gefragt hätten …
    Etwas anderes dagegen ist es, einen Beamten zu fragen.
    Er hat Antworten genug, und sie sind wahr. Sibirien ist ein Land mit einer solchen Fülle von Bodenschätzen, daß – so glauben die Leute in Sibirien – der Fortbestand der Menschheit bei aller westlichen Degeneration noch für Jahrtausende gesichert ist. Denn keine Generation kann soviel Reichtum heben, kann diese riesigen Gebiete kultivieren … Nur immer ein Stückchen schaffen sie, wie einen kleinen Kratzer auf der Haut.
    Sibirien – das ist eigentlich die Ewigkeit. Vom Ural bis zum Kap Deschnew … das ist ein Land, das der Mensch niemals voll erobern wird.
    Mutorej nun verdankte seine Vorrangstellung an der Steinigen Tunguska drei Dingen: seinem Holzkombinat, seiner Sowchose für Landwirtschaft und seiner gemischten Fabrik mit mehreren Abteilungen, die neben Matratzen auch Möbel, Platten für Betonarbeiten und Eisenbahnschwellen herstellt. Als Zu- und Abfahrtswege benutzt man den Fluß und eine Landstraße, die aber mindestens fünf Monate im Jahr nicht zu befahren ist. Dafür gibt es eine Kleineisenbahn mit Breitspur, die sich durch die Taiga quält, um dann in die normale Linie nach Jennisseisk zu münden.
    Vor allem für diese Eisenbahnlinie stellte die Fabrik Schwellen her, denn jedes Jahr wurden die Schwellen von nomadisierenden Eingeborenen, meistens Ewenken, aus dem Schotterbett gerissen und verheizt. Das war einfacher, als selbst Bäume zu fällen und in passende Stücke zu schneiden. Auf diese Art wußte man im voraus nie, wie lange man mit dem Zug fahren konnte und wo die Schienen nur noch locker auf den Steinen lagen. Die Halunken von Ewenken faßte man nie, aber es wurde besser, seitdem man die Eisenbahnlinie durch Hubschrauber überwachte.
    Michail Tassburg landete an einem eiskalten Mittag im großen Innenhof der Sowchose von Mutorej. Er war durch Funk angemeldet worden, und der Leiter der Sowchose, der Genosse Jewgenij Iwanowitsch Slumbek – ein Mann mit einem merkwürdigen Namen – erwartete ihn im Schutz eines großen Scheunentors.
    Nachdem sich die Schneewolke, die die Rotorflügel aufwirbelte, gesenkt hatte, lief Slumbek heran und umarmte Tassburg, als sei er dessen Bruder. Man kannte sich von früher, als der Geologentrupp in der Sowchose seine Reisevorräte aufgefüllt hatte.
    »Daß wir uns wiedersehen, Genosse Brüderchen!« schrie Slumbek begeistert. »Wissen Sie, was ich mir damals gedacht habe, als Sie mir sagten, Sie wollten nördlich der Tunguska nach Erdgas suchen? Das ist der verrückteste Auftrag, habe ich gedacht, den man annehmen kann! Der kommt nie wieder! Ja, das habe ich gedacht. Und nun steigen Sie vom Himmel herab, gesund und kräftig! Haben Sie nun Erdgas gefunden?«
    »Nein.« Tassburg schlug den Pelzkragen hoch. In Mutorej, fand er, war es noch kälter als in Satowka. Das mochte vom Fluß kommen, der natürlich zugefroren war und wie eine riesige Kühlmaschine wirkte. »Wir werden weiterziehen – an den Chunku!«
    »Das ist ja nun völlig verrückt!« Slumbek schlug die Hände über dem Kopf zusammen. »Und Sie gehen wirklich …?«
    »Natürlich! Man kann ein Land wie Sibirien nicht im Sessel erobern! Und wenn wir Erdgas finden, ist Rußland wieder um ein Bohrloch der anderen Welt voraus!«
    Bevor Tassburg dazu kam, nach Natalias Eltern zu fragen, war es ganz selbstverständlich, daß er zum Mittagessen bei den Slumbeks eingeladen wurde. Ein üppiges Mahl war es, mit gefüllten Pelmini, gebratenem Fisch, einem Steak und Rote-Bete-Salat. Dazu reichte man Kwass, das berühmte russische Bier, das aus Brot gebraut wird, und hinterher, zur Verdauung, einige Gläser Wodka. Slumbek, der wie ein Bär gegessen hatte und nun verhalten rülpste, reichte Papyrossi herum.
    »Auch wir haben unsere Sorgen«, berichtete dann behaglich der Genosse Slumbek. »Stellen Sie sich vor, Michail Sofronowitsch: Da gab es bei uns einen gewissen Genossen Rostislaw Alimowitsch Kassugai, Leiter des Holzkombinats und neuer Direktor der Matratzenfabrik! Ein bekannter Mann, man mußte sich gut mit ihm stellen. Beste Beziehungen zur Bezirksregierung, mit allen maßgeblichen Genossen per Du … Und was tut Kassugai eines Tages im Spätsommer? Er setzt sich mit einem
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