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Natalia, ein Mädchen aus der Taiga

Natalia, ein Mädchen aus der Taiga

Titel: Natalia, ein Mädchen aus der Taiga
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Freund in seinen Wagen, sagt, sie führen einmal kurz den Fluß hinauf, um an einer einsamen Stelle zu baden – und weg sind sie! Bis heute! Man hat sie gesucht, den Fluß hinauf und hinunter, man hat sogar mit Hubschraubern die Umgebung abgeflogen … Sie sind irgendwo in der Taiga verschwunden! Jeder glaubt, daß die beiden Genossen von Verbrechern entführt und ermordet worden sind – und das Auto ist längst umlackiert und verkauft worden! Das fällt hier nämlich nicht auf. Neue Wagen müssen beantragt und bestellt werden, da kennt man jeden. Aber wer gebrauchte Autos weiterverkauft, braucht keine Lizenz. Und wenn das Auto beispielsweise in Batkit auftaucht – wer fragt schon danach? Vielleicht steht es auch irgendwo in einem Schuppen und taucht erst im nächsten Jahr wieder auf – dann fragt überhaupt keiner mehr! Auf jeden Fall: Kassugai und sein Freund sind weg! Kannten Sie den Genossen Rostislaw Alimowitsch?«
    »Nein!« erwiderte Tassburg. Er rauchte seine Zigarette und sah nachdenklich dem blauweißen Qualm nach. »Er wollte nur baden gehen, sagen Sie?«
    »So ist es!«
    »Und seine Frau?«
    »Er ist unverheiratet.«
    »Er hatte auch keine Braut?«
    »Bräute? O je!« Slumbek lachte dröhnend. »Jeden Tag eine andere! Kassugai war gefürchtet! Wenn er einen schönen Rock sah, benahm er sich wie ein Stier vor dem roten Tuch! Wenn er geheiratet hätte – das arme Weibchen! Und er bekam auch immer, was er wollte, so ein mächtiger Mann war er! Aber jetzt ist er weg! Die Mädchen atmen auf, die Behörden stehen vor einem Rätsel, und es gibt nur wenige Menschen in Mutorej, die sich freuen würden, wenn er wieder auftauchte.«
    »Sie auch nicht, Jewgenij Iwanowitsch?« fragte Tassburg.
    »Ich mit eingeschlossen, das sage ich offen! Kassugai war ein widerlicher, arroganter Mensch, den man nur immer in den Hintern treten konnte. Er trat auf, als sei er ein direkter Abkömmling von Stalin oder gar Lenin! Haha!« Slumbek freute sich riesig über diesen Vergleich. »Nur die Verwaltung jammert. Wo bekommt man einen neuen Direktor her? Es heißt, man suche in Omsk einen, aber wer Mutorej und Steinige Tunguska hört, der legt sich sofort mit Herzschmerzen ins Bett. Bei Kassugai war es anders – der war hier geboren!«
    Es wurde noch viel erzählt an diesem Mittag, bis Tassburg endlich dazu kam, sich von Slumbek zu verabschieden und nach Natalias Eltern zu suchen. Etwas sehr Wichtiges hatte er bereits erfahren: Kassugai hatte nichts den Polizeibehörden gemeldet. Seine Jagd nach Natalia war ein privates Unternehmen gewesen, und auch das Kopfgeld war demnach von ihm allein ausgesetzt worden. Also gab es auch keinen Steckbrief … Nichts konnte Natalia daran hindern, wieder aufzutauchen. Sie hatte sich nur strafbar gemacht, weil sie ohne Abmeldung ihren Arbeitsplatz und die Stadt verlassen hatte. Aber das war ein Vergehen, über das man mit den Behörden freundlich sprechen konnte. »Sie hat es aus Liebe zu mir getan!« würde Tassburg sagen. »Genossen, könnt ihr es einer liebenden Frau verdenken, wenn sie ihrem Glück nachläuft …?«
    Es würde keinen Beamten geben, der das nicht verstand.
    Nachdem Tassburg den Genossen Slumbek verlassen hatte, ging er den normalen Weg: er ließ sich bei dem Leiter des Personalbüros vom Holzkombinat melden. Auch dort mußte er erst einen Wodka trinken und von seiner schweren Arbeit in der einsamen Taiga erzählen, ehe er seine Frage nach Natalias Eltern anbringen konnte. Der Genosse Personalbüroleiter telefonierte mit dem Verwalter der Zentralkartei, und nach fünf Minuten brachte eine freundliche Genossin die Karte der Eheleute Miranski.
    »Ich kann Ihnen leider nicht weiterhelfen«, sagte der Personalbüroleiter und hielt Tassburg die Karteikarte vor die Nase. »Die Miranskis sind fort …«
    »Fort? Was heißt das?« Tassburg nahm die Karteikarte und studierte sie. Es war eine nüchterne Eintragung: »Verzogen nach Krasnojarsk. Neue Anstellung im Hüttenkombinat Sibirska. Gruppe Aktivist I.« Dahinter das Datum. Es war ein Tag, vier Wochen nach Natalias Flucht vor Kassugai.
    »Ich erinnere mich an die Miranskis«, fuhr der Personalbüroleiter des Kombinats fort. »Es waren fleißige Leute. Nie krank, immer über dem Plansoll. Ein Vorbild – hier steht es ja: Aktivist I. Wir haben die Leute ungern ziehen lassen, aber in Krasnojarsk gab es fast den doppelten Lohn! Und ein Hüttenwerk ist im Aufbauplan wichtiger als ein Holzkombinat oder eine Sowchose. Außerdem hatten die
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