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Nashira

Nashira

Titel: Nashira
Autoren: L Troisi
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Mieder zu schnüren, das so eng war, dass Talitha sich am Schrank festhalten musste, damit es zuging.
    Kolya zog mit aller Kraft. »Haltet die Luft an!«, forderte sie
das Mädchen auf, und als es endlich geschafft war, stand anstelle der nach hartem Training schwitzenden jungen Kadettin eine artige, elegante, anmutige Dame vor ihr. Das perfekte Ebenbild einer lieblichen, gehorsamen Tochter. Genau das, was ihr Vater von ihr verlangte.
    »Schaut doch, Ihr seht wunderschön aus«, sagte Kolya und zog sie vor den Spiegel.
    Talitha betrachtete sich, als gehöre dieser Körper einer anderen. Vielleicht hätte man sie als schön bezeichnen können, doch wer war die Fremde, die sie da, mit ihren eigenen Augen, aus dem Spiegel ansah?
    »Hast du fertig gepackt?«, fragte sie Kolya seufzend.
    »Ja, Herrin.«
    »Gut, dann gehen wir.«

2
    D ie mit weißen und blauen Ornamenten lackierte Kutsche wartete vor dem Hauptportal des Palastes. Groß und gut sichtbar prangte darauf das Wappen der gräflichen Familie: ein Schild mit einem schwarzen Drachen, der eine Flamme ausstieß. Dieses Symbol trugen alle Angehörigen der Familie auch auf der linken Schulter eintätowiert. Was die Kutsche aber besonders eindrucksvoll erscheinen ließ, waren die Zugtiere, zwei prächtige Erddrachen.
    Der eine war von gelber, der andere von feuerroter Farbe; einschließlich des gekrümmten Schwanzes maßen sie drei Ellen in der Länge und besaßen ein lang gezogenes flaches Maul, das mit messerscharfen Reißzähnen besetzt war. Hinter dem Kopf wuchs ein knorpeliger Kamm mit zahlreichen Spitzen, die oben ganz schwarz waren. Der eine Drache hatte grellgrüne, der andere goldfarbene Augen. Am Rücken saßen hauchdünne Flügel, die zu klein waren, als dass die Drachen damit hätten fliegen können. Sie waren nur noch schmückende Reste, die die Natur, vielleicht aus Gewohnheit, dort erhalten hatte. Die Tatzen waren mit gekrümmten Krallen ausgestattet, wobei die Vordertatzen ein klein wenig schmaler als die hinteren waren.
    Unruhig warfen sich die Tiere hin und her, schüttelten ihr Zaumzeug, bissen auf der Kandare herum und rissen die Mäuler mit bedrohlichem Brüllen weit zum Himmel auf,
während sich der Kutscher bemühte, die nervösen Tiere ruhig zu halten.
    Ergeben öffnete ein Diener Talitha den Schlag und half ihr in die Kutsche, deren Sitze mit weichem, kostbarem Stoff bezogenen waren.
    »Du bist zu spät. Wir warten schon«, empfing ihr Vater sie.
    »Verzeiht«, antwortete das Mädchen, während sie den Platz gegenüber ihrer Mutter einnahm.
    Es hieß, sie sei der Gräfin wie aus dem Gesicht geschnitten, aber das hörte Talitha nicht gern, obwohl ihre Mutter eine Frau von seltener Schönheit war. Anmutig und geschmeidig wie eine Blume, war ihre Gesichtsfarbe eine Spur heller als die des Gatten und der Tochter, und ihre klaren aquamaringrünen Augen schimmerten sanft. Ihr feuerrotes lockiges Haar war zu einer Hochfrisur zusammengesteckt, die ihren langen, schmalen Hals gut zur Geltung brachte, von Talitha im Stillen aber nur belächelt wurde: Wie eine mit kleinen bunten Edelsteinen dekorierte Hochzeitstorte, auf der ganz oben eine blattförmige Spange saß, erhob sie sich auf dem Kopf der Mutter. Die Gräfin blickte aus dem Fenster der Kutsche und hielt sich dabei einen geschlossenen Fächer an den kleinen herzförmigen Mund. Sie war ein Sinnbild der Vollkommenheit, genau die Art Frau, die Megassa gerne vorführte, so als handele es sich um ein kostbares Juwel.
    »Du bist heute Abend sehr schön, meine Liebe«, sagte sie, wobei sie aber ihrer Tochter den Blick nur halb zuwandte und sie mit einem flüchtigen Lächeln bedachte.
    Talitha antwortete nicht und starrte auf das Fenster. Diese immer so angemessenen, tadellosen Umgangsformen ihrer Mutter nervten sie. Und dass sie jede Entscheidung ihres
Gatten so willenlos hinnahm und jeden Wutausbruch stillschweigend über sich ergehen ließ.
    Draußen vor dem Fenster sah Talitha aus den Augenwinkeln Saiph, der ihnen auf dem Sklavenkarren folgen würde. In manchen Momenten beneidete sie ihn fast, und sein Status als Sklave kam ihr erstrebenswerter vor als ihre eigene Rolle als Grafentochter.
    Eine Peitsche knallte, und die Drachen setzten sich in Bewegung. Zunächst ging es durch die breiten, gut instand gehaltenen Straßen der Zitadelle. Alles um sie herum war in violettes Licht getaucht, während Cetus und Miraval die letzten Sonnenstrahlen warfen und die Monde am Himmel aufstiegen.
    Bei der
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