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Nashira

Nashira

Titel: Nashira
Autoren: L Troisi
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Außenmauer der Zitadelle hielten sie vor einem großen Steintor. Zwei Wachen traten auf die Kutsche zu. Als sich der eine vorlehnte und hineinschaute, traf ihn Megassas funkelnder Blick.
    »Idiot, ich bin es. Hat man dich nicht benachrichtigt?«
    Hastig richtete die Wache sich auf und legte die rechte Faust auf die Brust. »Doch, Exzellenz, doch. Vergebung, aber in diesen Zeiten kann man gar nicht vorsichtig genug sein.«
    Das Tor knarrte in den Angeln, die Drachen zogen an, und sie gelangten hinaus aus der Zitadelle und mitten hinein in das pulsierende Herz Messes.
    Die nächtliche Ausgangssperre würde bald in Kraft treten, doch noch war Leben auf den Straßen der Stadt; ein hitziger Tag ging zu Ende und hatte seine Spuren hinterlassen.
    Einige Gardisten reparierten die Tür einer Bäckerei, die wohl einige Hungerleider gestürmt hatten. Flammen mussten aus den Türen und Fenstern geschlagen sein, wie die schwarzen Flächen an der Hauswand zeigten, und das verbeulte
Schild baumelte halb abgerissen über dem Eingang. Nur wenig entfernt lag die Leiche eines Femtiten-Sklaven. Unter einer zerlumpten Kutte stachen die Rippen eines spindeldürren ausgehungerten Leibes hervor. Als sie an einer Textilmanufaktur vorüberfuhren, drangen die Klagelaute der Sklaven so laut zu ihnen herüber, dass Megassa das Fenster schloss und die Vorhänge zuzog.
    »Man sollte dickere Mauern bauen ... Bei diesem Lärm können die Nachbarn doch gar nicht schlafen«, bemerkte die Gräfin zerstreut mit säuselnder Stimme.
    »Ach was! Die müssten nur dafür sorgen, dass sich Sklaven zusammenreißen«, erwiderte Megassa. »Oder hast du unsere Sklaven vielleicht schon einmal so jammern hören?«
    »Das trauen sie sich vielleicht nicht. Weil sie Angst haben«, mischte sich Talitha ein.
    »Gewiss, und das ist auch gut so«, antwortete Megassa. »Ein Sklave darf nie vergessen, welchem Stand er angehört.«
    Zorn stieg in der jungen Gräfin auf, doch sie unterdrückte ihn und sagte bis zum Ende der Reise kein einziges Wort mehr.
    Sie wartete, bis es noch dunkler geworden und ihre Eltern eingenickt waren, dann lehnte sie den Kopf ans Fenster und zog die Gardine zurück. Unterdessen waren sie am Stadtrand angekommen, und die soliden Steinhäuser waren schlichten Holzbaracken gewichen. Abgesehen von einigen Gardisten, die mit misstrauischen Mienen umherstreiften, war auf den Straßen niemand mehr zu sehen. Hier hingen die Äste des Talareths besonders tief herunter und waren nur wenige Ellen von der Erde entfernt. Talitha öffnete das Fenster wieder ein wenig und genoss die Luft, die durch den Spalt in die Kutsche drang. Sie roch anders, als sie es gewohnt war. Saiph
hatte ihr erzählt, dass die Luft hier wegen der größeren Entfernung zur Talareth-Astgabel, wo der Luftkristall gehütet wurde, noch dünner war. Bald schob sie das Fenster zu; die Angst, dass ihr Vater aufwachen und toben könnte, war zu groß.
    Der Weg, den die Kutsche nahm, stieg merklich an. Also hatten sie die Stadt hinter sich gelassen und fuhren nun die Hauptader, den wichtigsten Verkehrsweg ihrer Welt, hinauf, die von Nord nach Süd alle Hauptstädte Talarias miteinander verband, vom Reich des Winters mit seinem ewigen Eis, bis zum Reich des Sommers, dem sonnig warmen Land, in dem Talitha geboren war und immer gelebt hatte.
    Erneut lehnte sie sich zum Fenster vor und schaute zurück: Ein fantastisches Schauspiel bot sich ihr, doch Talitha musste genau hinsehen, um in dem violetten Abendlicht alles zu erkennen: Beschirmt von der riesigen Gestalt des Talareths lag dort die Stadt Messe. Ein einziges Meer aus Lichtern breitete sich unter seinen Ästen aus, am hellsten die Lichtpunkte der Zitadelle, die wie Diamanten auf einem Samttuch glitzerten, trüber und flackernder die der anderen Viertel. Deren Grenzen waren kaum auszumachen, und nur an den Rändern erkannte sie schmale Streifen eines dunklen Himmels.
    Das Mädchen genoss den Anblick, bis die Stadt ganz verschwunden war, und ließ sich dann vom sanften Schaukeln der Kutsche mehr und mehr einlullen. Sie merkte noch, wie sie immer müder wurde, und dass eine seltsame Erregung ihr Herz erfüllte. Dann schlief sie ein.
    Ihre gesamte Reise würde diese Hauptader entlangführen, auf der in regelmäßigen Abständen bewaffnete Gardisten patrouillierten. Besonders Kutschen wie die ihre hatten solchen
Schutz nötig, denn es drohten Gefahren von Banden Verzweifelter, von Räubern und anderem zwielichtigem Gesindel, die von den
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