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Nashira

Nashira

Titel: Nashira
Autoren: L Troisi
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abendlichen Verrichtungen. Endlich war die drückende Schwüle des Tages gewichen, hatte sich in dieser sanften Brise aufgelöst. Das Weiß der Gebäude in diesem reichsten und prächtigsten Viertel der Stadt blendete nicht mehr wie noch am Tag und war in ein zartes Rosa übergegangen, auf dem der Blick ruhen konnte.
    »Na, hast du mich in der Arena gesehen?«, fragte Talitha.
    »Ja, das sah nicht schlecht aus.« Das Gesicht ehrfürchtig zu Boden geneigt und mit zwei Schritten Abstand, wie es von einem Femtiten, der seine Herrin begleitete, erwartet wurde, lief Saiph hinter ihr her.
    »Nicht schlecht? Willst du mich auf den Arm nehmen? Ich war einfach fantastisch.«
    Saiph kicherte leise, darauf bedacht, dass niemand ihn hörte. Eine sinnlose Vorsichtsmaßnahme angesichts der Tatsache, dass Talitha nicht daran dachte, die Stimme zu senken, und die neugierigen Blicke um sie herum einfach nicht beachtete.
    »Da gibt’s überhaupt nichts zu lachen«, sagte sie ernst. »Welche Kadettin im dritten Jahr kann schon von sich behaupten, ihren Lehrer besiegt zu haben!«
    Saiph blickte sie verwundert an. »Soll ich dir mal was sagen? Meiner Ansicht nach verdankst du den Sieg weniger deinem Schwert als dem Rang und dem Ruf deines Vaters.«
    »Nein, so läuft das nicht in der Garde«, antwortete sie gekränkt. »Ich werde da nicht geschont, nur weil ich die Tochter des Grafen Megassa bin. Ich bin da nur eine Kadettin wie alle anderen auch.«
    Saiph hob die Hände. »Reg dich nicht auf ... Aber ich werde nie vergessen, wie du mir einmal erzählt hast, du könntest alle Instrumente im Musiksaal spielen!«, fügte er mit einem spöttischen Lächeln hinzu.
    »Hör doch auf, Saiph. Das ist sieben Jahre her! Du wirst mir doch wohl zugestehen, dass ich mich in dieser Zeit geändert haben.«
    »Ein wenig sicher«, neckte er sie weiter.
    Die Blicke der Leute um sie herum schwankten zwischen Neugier und Empörung: Es war kein alltägliches Schauspiel,
dass eine Talaritin und ein Sklave so vertraulich miteinander umgingen. Unter diesen unzähligen Blicken wurde Saiph sofort wieder ernst. Talitha aber fasste ihn aus Trotz unter.
    »Bist du verrückt geworden?«, zischte er, wobei er sich ihr entwand.
    »Ach Saiph, du bist so lustig wie eine verrostete Axt ...«
    »Ich versuche bloß, einer Bestrafung aus dem Weg zu gehen.«
    Das Mädchen zuckte mit den Achseln. »Wovor solltest du denn Angst haben?« Sie packte seinen rechten Arm und bohrte ihm die Fingernägel ins Fleisch, sodass fünf kleine rote Male zurückblieben. »Ich wette, das hast du noch nicht mal gespürt«, sagte sie und schaute ihn verstohlen an.
    Gleichgültig betrachtete Saiph die Kratzer. Tatsächlich spürten Femtiten keinen Schmerz und wurden daher zum einen von klein auf dazu erzogen, Blut mehr als alles andere zu fürchten, zum anderen aber auch, Wunden, die gefährlich werden konnten, von harmlosen Verletzungen zu unterscheiden.
    »Nein, natürlich nicht«, sagte er, wobei er sie ernst ansah. »Aber du weißt ganz genau, was ich meine.«
    Fast verlegen, senkte Talitha den Blick.
    Als sie wenig später den Hof des Palastes betraten, hatten beide Gelegenheit, es mit eigenen Augen zu sehen: Am Fuß der breiten Freitreppe stand eine kleine Schar Diener, vor der sich Graf Megassa mit verschränkten Armen aufgebaut hatte. Talithas Vater besaß die harten, kantigen Gesichtszüge eines Mannes, dem das Befehlen in die Wiege gelegt worden war, und seine Miene wirkte angespannt und streng, während seine Haare von den Jahren geschwärzt waren, wie es bei den Talariten im Alter üblich war. Seine Augen, ebenso flammend grün wie die seiner Tochter, blitzten unruhig. Seine
Figur war mit den Jahren ein wenig in die Breite gegangen, doch die täglichen Übungsstunden mit dem Schwert sorgten dafür, dass sein Körper immer noch stark und voller Spannkraft war.
    Inmitten der kleinen Schar stand der am Hof zuständige Sklavenaufseher mit dem Strafstock in der Hand. Dabei handelte es sich um ein langes Holzscheit, in dessen Spitze ein winziges Bruchstück des Luftkristalls eingelassen war. Nur mit Mühe war zu erkennen, dass er in einem schwachen bläulichen Licht funkelte. Ursprung aller Magie und allen Lebens auf Talaria, war dieser Stein gleichzeitig der Quell allen Schmerzes für die Femtiten. Der Sklave vor ihm war kaum dem Kindesalter entwachsen. Er wimmerte verzweifelt, hob immer wieder den Kopf und ließ den Blick zwischen dem Aufseher und dem Grafen hin und her wandern.
    »Ich
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