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Narzissen und Chilipralinen - Roman

Narzissen und Chilipralinen - Roman

Titel: Narzissen und Chilipralinen - Roman
Autoren: Franziska Dalinger
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und behaupte, dass Daniel drinnen im Saal ist, wird Tom mir das bestimmt nicht abnehmen. Es wäre für uns beide besser, wenn ich lüge, aber ich kann nicht. »Ich bin mit Mandy hier.«
    Er verschont mich mit seinen Ansichten über Mandy, mit der er mal kurz zusammen war, wofür ich ihm dankbar bin (für beides, das Schweigen und dafür, dass er schon vor langer Zeit mit ihr Schluss gemacht hat).
    Ich muss mich an seiner Schulter abstützen, um meinen Schuh wieder an den Fuß zu kriegen, wo er hingehört, und dabei schwankt Tom bedenklich. Ehe ich merke, was geschieht, liegen wir beide im Schnee. Mein Rücken wird nass und kalt. Überall ist Schnee, ich habe sogar welchen im Mund. Mein wütender Schrei hört sich dadurch eher wie ein erschrockenes Quieken an.
    »Oh sorry, bitte vielmals um Entschuldigung«, lallt er, rappelt sich auf und hilft mir hoch, wobei er es diesmal schafft, nicht umzukippen. »Äh, du hast da Schnee.« Ungeschickt klopft er mir die weiße Pracht vom Rücken.
    »Lass das.« Ich packe seine Hand und entferne sie von meiner Taille. Mist. Jetzt bin ich völlig durchnässt, was wohl bedeutet, dass ich sofort nach Hause muss. Mir ist so kalt, dass meine Zähne klappern. Dabei bin ich noch gar nicht so lange auf dieser Party. Vielleicht eine oder zwei Stunden. Noch viel zu früh, um zu Hause anzurufen und Papa zu bitten, mich abzuholen. Mein Vater hält sowieso nicht viel von Partys, auf denen Schüler Alkohol trinken, flirten und Dinge tun, an die sie sich am nächsten Tag nicht mehr erinnern können oder die, bei Licht besehen, nur halb so lustig sind wie gedacht. Wenn Papa sieht, dass ich mich im Schnee gewälzt hab, denkt er womöglich etwas ganz Schlimmes von mir, vor allem, da Tom wie ein Trottel danebensteht und darauf wartet, dass ich ihm entweder eine reinhaue oder ihn küsse.
    »Komm, ich bring dich nach Hause«, schlägt er vor.
    Im Moment tendiere ich zu »eine reinhauen«.
    »Du kannst nicht fahren«, sage ich. »Ausgeschlossen.« Woran man sieht, dass ich durchaus lernfähig bin. Wie könnte ich jemals vergessen, dass ich mich schon mal zu ihm ins Auto gesetzt und erst dann gemerkt hab, dass er kaum geradeaus fahren konnte? Ein Glück, dass aus mir und Tom nichts geworden ist. Er trinkt zu viel. Er hängt auf zu vielen Partys rum. Er ist völlig verrückt. Ganz im Gegensatz zu Daniel, der zwar noch keinen Führerschein hat, aber wenn er endlich Auto fahren kann, sicher unheimlich vernünftig und erwachsen mit dieser Verantwortung umgehen wird. Weil Daniel ja immer so schrecklich erwachsen und nett und brav und LANGWEILIG ist!
    Aaaaaah!
    Ich packe Tom am Kragen und schaue in seine blauen Augen. Augen, strahlend blau, tiefblau, so wie er im Moment durch und durch blau ist. Die Farbe bildet einen wahnsinnigen Kontrast zu seinen schwarzen Haaren. Ich könnte ihn jetzt küssen. Einfach so. Weil ich immer noch wütend auf Daniel bin. Weil ich diese Jahre, in denen ich heimlich in Tom verliebt war, nicht einfach so abstreifen kann innerhalb weniger Monate; manchmal geistert er ungefragt durch meine Träume. Weil ich hundertdreiundzwanzig Gedichte in meiner Schublade liegen habe. (Oder waren es bloß hundertzwölf? Muss ich mal nachzählen und durchnummerieren.) Weil ... weil ich Lust dazu habe! Und weil niemand es je erfahren wird. Tom wird sich garantiert an überhaupt nichts erinnern.
    Unsere Gesichter kommen sich näher. Ich kann seine Bierfahne riechen. Das gibt letztendlich den Ausschlag. Dieser Geruch verdirbt mir den Appetit.
    Ich stoße Tom von mir weg, und er landet zum zweiten Mal im Schnee. Er lacht und lacht, wie ein Irrer.
    Ich lasse ihn liegen und suche nach meinem Handy. Wo (unfrommer Fluch, bitte kurz weghören) ist mein Handy? Ich muss es vorhin verloren haben. Na toll. Jetzt kann ich hier danach wühlen. Tom lacht immer noch, er klingt glücklicher, als er sollte. Das Dumme ist, ich weiß genau, was ihn so freut. Das war knapp, echt knapp, und er weiß es, so wie ich es weiß, und wenn ich Pech habe, weiß er es morgen auch noch. Wie blöd war ich eigentlich zu glauben, es wäre egal, weil niemand es sieht? Ich würde es wissen. Immer. Immer, wenn ich mit Daniel zusammen bin, würde ich daran denken müssen. Was für ein Glück, dass ich es nicht getan habe.
    »Steh auf und hilf mir suchen!«, fahre ich ihn an, damit er endlich aufhört zu lachen. »Mein Handy ist weg.«
    »Du brauchst niemanden anzurufen«, beschwört er mich, während er sich herumrollt, um ungeschickt
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