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Narzissen und Chilipralinen - Roman

Narzissen und Chilipralinen - Roman

Titel: Narzissen und Chilipralinen - Roman
Autoren: Franziska Dalinger
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es ja doch!«, schreit Basti und drückt mich an seine Brust. »Meine Messie! Haha!«
    Man muss ja zugeben, dass Bastian irgendwie ein bisschen bedrohlich aussieht. Die Haare streichholzkurz, breite Schultern, wiegender Gang, Marke »Ich hau dich kurz und klein«. Zerrissene Jeans, Goldkettchen, Tattoo. Wenn er jetzt jeden Donnerstag aus voller Kehle »Das Höchste meines Lebens ist: dich kennen, Herr« schmettert, so laut und falsch, wie es nur Basti kann, ist das ein ziemlicher Kontrast. Aber sein Lachen! Wenn mir jemand prophezeit hätte, ich würde jemanden kennenlernen, der lauter lacht als mein Vater niest, ich hätte ihm nicht geglaubt.
    Die Leute drehen sich zu uns um.
    »Messie?« Er reißt mir die Perücke vom Kopf. »Ich fasse es nicht! Ich hätte dich nie erkannt. Du siehst aus, als wärst du dreißig oder so!«
    Leonies Clique ist jetzt endgültig klar, dass sie Betrügern aufgesessen sind. Schimpfend verziehen sie sich. Leonies kleines Lächeln verschwindet so schnell, wie es aufgetaucht ist, aber nicht einmal ihre Clique wagt es, mit geballten Fäusten auf uns loszugehen, während Bastian und seine Kumpels bei uns stehen, die Daumen in den Gürtelschlaufen ihrer Jeans, eine Pose, die sie bestimmt aus irgendwelchen drittklassigen Movies haben. Zwei von ihnen, genannt »die beiden Nicks«, sind wahre Schränke, mit denen man sich lieber nicht anlegt.
    »Sie ist gut, was?«, fragt Mandy.
    Das schätze ich so an ihr. Obwohl sie so toll aussieht und beliebt ist und jeden um den Finger wickeln kann, teilt sie auch mal Komplimente aus. Ganz ohne neidisch zu sein.
    Bastian sieht sich um. »Ist Daniel hier? Ich hab heute in der Bibel was gelesen, und da wollte ich ihn mal was dazu fragen.«
    Es ist ihm überhaupt nicht peinlich, dass seine eigenen Jünger das mitkriegen. Niklas und Dominik, die beiden Riesen, können vermutlich nicht mal lesen. Alf, klein, dunkelhaarig, sieht irgendwie asiatisch aus, ist dagegen recht pfiffig. Dem würde ich zutrauen, dass er heimlich unter der Bettdecke die Offenbarung des Johannes durchackert. Er zwinkert mir zu – der will doch nicht etwa flirten? Philipp schweigt, wie immer. Jackson grinst unverschämt. Aber sie alle sind Bastis treue Untertanen und zockeln immer hinter ihm her, egal, was er tut. Vermutlich würden sie sogar eine christliche Jugendgruppe oder einen Gottesdienst besuchen, wenn er es ihnen befiehlt. Himmel, denke ich auf einmal, was tun wir bloß, wenn er wirklich irgendwann auf die Idee kommt, diese ganzen Jungs in die Kirche mitzuschleppen?
    »Nein, er ist nicht hier. Frag mich doch.« Ich bin mit der Bibel großgeworden, mit Gottesdiensten und theologischen Debatten am Küchentisch. Das passiert halt, wenn man einen Pastor zum Vater hat. Bibelsprech ist meine zweite Muttersprache. Nur der Glaube, der kommt nicht automatisch, wie ich in den letzten Jahren festgestellt habe. Den kann nicht einmal der glühendste Prediger seinen Kindern vererben. Mein Glaube ist ein bisschen wie eine Blüte, die manchmal, im Sonnenschein, aufgeht und sich dann ganz rasch wieder schließt, wenn jemand sie berührt. Manchmal blüht sie aber auch in der Nacht und macht bei Tageslicht dicht. Mein Glaube ist unberechenbar und bockig und lässt mich immer wieder völlig im Stich.
    »Du, mit der Hochzeit zu Kana ...«, fängt Basti an, aber Mandy unterbricht ihn sofort. Mandy kann Bibelgespräche nicht ertragen, warum auch immer. Dabei hör ich mir auch geduldig ihren ganzen verquasten Horoskopquatsch an.
    »Mann, könnt ihr das nicht später besprechen?«, geht sie dazwischen. »Wir wollten hier noch ein bisschen Spaß haben.«
    Aber ich bin jetzt aus meiner Rolle raus. Was, wenn Bastian Daniel hiervon erzählt? Es ist harmlos. Es ist witzig. Aber trotzdem will ich nicht, dass Daniel davon erfährt, dass ich mich als Yvonne Holzer verkleidet in den Klamotten von Mandys Mutter auf die Straße traue.
    »Boah, wenn er dich so sehen könnte«, meint Basti. »Dem würden glatt die Augen rausfallen.«
    Ich hab mein Kostüm ein bisschen, äh, ausgepolstert.
    Während ich noch überlege, wie ich Bastian klarmachen soll, dass er meinem Freund nichts davon verraten darf, greift Mandy ein. »Das ist
top secret«
, sagt sie. »Klar? Kein Wort zu niemandem. Meine Mutter bringt mich um, wenn sie erfährt, dass wir an ihrem Kleiderschrank waren. Wehe, du erzählst irgendjemandem davon!«
    »Aber ...«, beginnt er.
    »Niemandem«, beharrt sie. Der Reihe nach fasst sie jeden der Jungs ins Auge.
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