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Narzissen und Chilipralinen - Roman

Narzissen und Chilipralinen - Roman

Titel: Narzissen und Chilipralinen - Roman
Autoren: Franziska Dalinger
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Sorry, aber wer kann mir denn eine Garantie dafür geben, dass man das, was man bekommen hat, auch behält? Keiner. Eben. Gerade noch hat man eine total angesagte Freundin und dann wird man links liegengelassen. Oder einen supersüßen Freund, und dann sieht er sich anderweitig um. Kann alles passieren in einer Welt, in der es Erdbeben gibt und Vulkanausbrüche und Tsunamis.
    »Und was macht Daniel so?«, fragt Mandy. Manchmal ist es mir fast unheimlich, wie sie meine Gedanken erraten kann.
    »Daniel?« Ich blicke von meinem Sandwich auf und wische mir geziert ein Soßetröpfchen aus dem Mundwinkel. »Doch nicht etwa dieser blonde Schüler vom Gymnasium? Dieser unheimlich süße Typ, der immerzu Gitarre spielt? Den kannst du doch nicht meinen. Der ist viel zu jung für mich. Immerhin bin ich mindestens dreißig. Gott, der ist ja noch ein Kind!«
    Mandy sieht wehmütig einem Tomatenscheibchen hinterher, das aus ihrem Baguette rutscht und auf dem Boden landet.
    »Genau den«, sagt sie. »Der dir ständig Liebeslieder dichtet und Schokolade schenkt. Den Traumboy, den ausgerechnet du dir geangelt hast.«
    In gewisser Weise habe ich ihn mir tatsächlich geangelt, denn unsere schönsten Momente hatten wir am Fluss. Abgesehen davon, dass wir uns von früher kennen, als er mir im Kindergottesdienst Kaugummi in die Haare geschmiert hat. Das habe ich Mandy nie erzählt. Sie weiß bloß, dass ich ihn vor dem Ertrinken gerettet und mir einen Kampf auf Leben und Tod mit Steffi, unserer früheren Freundin, geliefert habe. An jene Nacht denke ich gar nicht gerne. Aber in der Tat, irgendwie habe ich mir Daniel aus dem Wasser geangelt, und seitdem sind wir zusammen.
    Wenn ich nicht gerade in der City wildfremde Leute anlüge.
    »Der ist unterwegs«, sage ich. »Mit der Familie. Irgendwas wegen seiner Schwester. Er klang ziemlich alarmiert.«
    »Familie wird überbewertet«, findet Mandy, die ein Einzelkind ist und ihre Eltern kaum sieht. Wenn sie ein Leben führen müsste wie ich – mit einem schrecklich netten Papa, der einem ständig den Kopf tätschelt, einer Mutter, die sich pausenlos um die Gesundheit ihrer Kinder sorgt, mit einer Schwester wie Tabita, die alles besser weiß, und einer Nervensäge wie Silas, der nie auch nur eine Sekunde die Klappe halten kann – dann wäre sie längst durchgedreht, wetten? Was nur beweist, was für gute Nerven ich habe.
    Die werde ich jetzt auch brauchen. Es geht weiter. Mandy ist fertig mit essen, ein entschlossener Ausdruck tritt in ihr Gesicht.
    »Jetzt finden wir das Supermodel«, verkündet sie.
    Das schönste Mädchen in dieser Stadt ist garantiert sie selber. Ich glaube, das weiß sie auch. Sie braucht gar nicht so bescheiden zu tun. Mandy ist nicht nur mit einer blonden Mähne und einer perfekten Figur gesegnet, sondern auch mit einem umwerfend hübschen Gesicht. Trotzdem hat sie keinen Freund – oder genau deswegen, weil sich nämlich niemand an sie herantraut. Und ich, mindestens zehn Zentimeter kleiner als sie und mit meinen schulterlangen dunkelblonden Haaren, die dazu neigen, strähnig auszusehen, mit meiner etwas zu knubbeligen Nase und meinen X-Beinen, ich habe einen. Daniel sagt, ich soll nicht so kritisch sein, ich würde toll aussehen. Nun ja, wenn er meint. Manchmal glaube ich ihm sogar, schließlich war er schon in mich verliebt, bevor ich ihn gerettet habe. Aber wie dem auch sei – hin und wieder finde ich das Leben unerwartet gerecht. Dann macht es Spaß, ich zu sein.
    »Die da.« Mandy lenkt meine Aufmerksamkeit auf eine Gruppe kichernder Teenager. Sie sind in viel zu dünnen Jacken unterwegs, ohne Mützen oder Schals, was darauf schließen lässt, dass sie sich für zu schön halten, um sich vor der Kälte zu verstecken.
    »Welche?« Keins der Mädchen sieht auch nur annähernd wie ein Supermodel aus.
    Mandy ist schon unterwegs und packt die Kamera aus. »Entschuldigung«, sagt sie, »aber du hast doch bestimmt schon mal als Model gearbeitet?«
    Das Mädchen, das sie sich aus der Gruppe herausgepickt hat, hat eine recht große Ähnlichkeit mit Tine, der oberfrommen Ziege aus meiner Jugendgruppe. Sie ist sehr dünn und hat ein Gesicht, das entfernt an ein Schaf erinnert. Biestig irgendwie. Jemand, der bestimmt über alles und jeden meckert. Die anderen haben alle Tüten in den Händen, aber sie nicht. Natürlich, sie gehört zu denen, die an allem etwas auszusetzen haben, am Schluss einfach irgendwas kaufen, damit sie nicht mit leeren Händen dastehen, und sich noch
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