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Narrenturm - Roman

Narrenturm - Roman

Titel: Narrenturm - Roman
Autoren: dtv
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zu stillen, das ihm aus dem Stumpf seiner abgeschlagenen Hand troff.
    »Wir leben«, sagte Scharley noch einmal. »Wir leben! He, Halada, hörst d . . .«
    Er brach ab. Halada hörte nicht. Er konnte nichts mehr hören.
    Brázda von Klinštejn ritt an die Wagen heran, die Panzerreiter des Entsatzes kamen herbei. Obwohl sie noch vor kurzem geschrien und sich im Kampf erhitzt hatten, schwiegen sie jetzt, verstummten angesichts des blutgetränkte Schlammes, der unter den Hufen der Pferde schmatzte. Brázda sah sich mit einem abschätzenden Blick das Schlachtfeld an, blickte in Haladas glasige Augen, sagte kein Wort.
    Der Anführer der Panzerreiter betrachtete Reynevan und zwinkerte ratlos. Man sah, dass er versuchte, sich zu erinnern. Reynevan hatte ihn sofort erkannt, nicht nur an der Rose im Wappen   – es war ein Raubritter aus Schönau, der Protektor Tybald Raabes, ein Pole, Blażej Poraj Jakubowski.
    Der Böhme, der geweint hatte, ließ den Kopf auf die Brust sinken und starb. Lautlos.
    »Seltsam«, sagte Jakubowski schließlich. »Seht euch diese drei an. Sie sind nicht mal so arg verletzt. Ihr seid verdammte Glückskinder! Oder es wacht ein Dämon über euch.«
    Er hatte sie nicht erkannt. Was auch nicht weiter verwunderlich war.
     
    Obwohl er sich kaum auf den Beinen halten konnte, machte sich Reynevan sogleich daran, die Verwundeten zu versorgen. In der Zwischenzeit erschlugen die hussitischen Reisigen die Johanniter und die Lanzenreiter der Haugwitz’ und entwaffneten sie. Die Toten wurden aus den Rüstungen geschält, schon begann der Streit, man riss sich die besseren Waffen und Panzer gegenseitig aus den Händen und machte sich über die Satteltaschen her.
    Einer der Ritter, der unter dem Wagen lag und anscheinend, wie so viele andere, tot war, bewegte sich plötzlich, die Rüstung klirrte und unter dem Helm kam Gestöhn hervor. Reynevan ging zu ihm hin, kniete nieder und schob die Hundsgugel zurück. Lange sahen sie einander in die Augen.
    »Mach schon . . .«, röchelte der Ritter. »Erschlag mich, du Häretiker. Den Bruder hast du mir erschlagen, dann töte auch mich. Und die Hölle soll dich verschlingen . . .«
    »Wolfher Sterz.«
    »Krepieren sollst du, Reynevan Bielau.«
    Zwei Hussiten mit blutverschmierten Messern näherten sich. Samson stand auf und trat ihnen in den Weg, und in seinen Augen war etwas, das die Hussiten veranlasste, sich rasch zurückzuziehen.
    »Erschlag mich, wiederholte Wolfher Sterz. Du Teufelsbrut! Worauf wartest du noch?«
    »Ich habe Niklas nicht getötet«, sagte Reynevan. »Das weißt du wohl. Ich bin mir immer noch nicht sicher, welche Rolle ihr bei Peterlins Ermordung gespielt habt. Aber eins sollst du wissen, Sterz, dass ich wieder hierher zurückkomme. Und mit den Schuldigen abrechnen werde. Wisse dies und sag es den anderen. Reinmar von Bielau kommt nach Schlesien zurück. Und fordert Rechenschaft. Für alles.«
    Wolfhers verkrampfte Gesichtszüge lösten sich, wurden weicher. Sterz hatte den Mutigen gespielt, aber jetzt erst begriff er, dass er eine Chance hatte, zu überleben. Trotzdem sagte er kein Wort und wandte den Kopf ab.
    Brázdas Reiterei kam von der Verfolgung und einem Erkundungsritt zurück. Von zwei Anführern angetrieben, gaben die Reisigen die Plünderung der Toten auf und formierten sich zum Marsch. Scharley kam mit drei Pferden heran.
    »Wir ziehen weiter«, sagte er kurz. »Samson, wirst du es schaffen, zu reiten?«
    »Ich schaffe es.«
     
    Sie machten sich erst eine Stunde später auf den Weg. Hinter sich ließen sie das steinerne Sühnekreuz, eines der zahlreichen Zeichen eines Verbrechens und später Sühne, wie man sie in Schlesien so häufig antrifft. Außer dem Kreuz kennzeichnete die Wegkreuzung jetzt auch ein Hügel, unter dem Oldřich Halada und vierundzwanzig Hussiten, Waisen aus Hradec Králové, begraben worden waren. Auf den Grabhügel pflanzte Samson die Pavese. Mit der Hostie im Strahlenkranz und dem Kelch.
    Und der Inschrift BŮH PÁN NÁŠ.
     
    Ambros’ Heer marschierte nach Westen, auf Braunau zu, und ließ eine breite schwarze Spur von Schlamm hinter sich, den Räder und Schuhwerk aufgewühlt hatten. Reynevan wandte sich im Sattel um, blickte zurück.
    »Ich komme wieder hierher zurück«, sagte er.
    »Das habe ich befürchtet«, seufzte Scharley. »Das habe ich befürchtet, Reinmar, dass du gerade das sagst. Samson?«
    »Bitte?«
    »Du grummelst da was unter deiner Nase, zudem noch auf Italienisch, ich vermute, dass es
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