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Cleo

Titel: Cleo
Autoren: H Brown
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    1
    A uswahl
    Eine Katze sucht sich ihren Besitzer aus,
    nicht umgekehrt.
     
    »Wir werden keines der Kätzchen mitnehmen«, sagte ich, während ich unseren Kombi um eine brezelförmige Kurve manövrierte. »Wir werden sie nur anschauen.«
    Die Straße zu Lenas Haus war extrem schmal und noch dazu sehr steil. Sie wand sich durch Hügel, die man überall sonst auf der Welt Berge nennen würde. Hinter dem Haus nichts außer ein paar Schaffarmen und ein steiniger Strand.
    »Du hast aber gesagt, dass wir ein Kätzchen kriegen«, jammerte Sam auf der Rückbank, dann wandte er sich hilfesuchend an seinen Bruder. »Stimmt doch, oder?«
    Normalerweise glich die Rückbank einer Ringkampfarena. Zwischen den beiden Brüdern, der eine fast neun und der andere sechs, lief immer das gleiche Spielchen ab. Sam provozierte Rob mit einem verstohlenen Rippenstoß, den dieser mit einem Tritt erwiderte, und das Ganze endete schließlich mit Tränen und gegenseitigen Beschuldigungen: »Er hat mich gestoßen!« »Aber nur weil er mich gezwickt hat.« Diesmal waren sie jedoch einer Meinung und meine Rolle nicht wie üblich die der Richterin und Streitschlichterin, sondern eine sehr viel einfachere – die des Feindes.
    »Ja, das ist gemein«, fiel Rob mit ein. »Du hast es versprochen.«
    »Ich habe nur gesagt, dass wir eines Tages vielleicht einKätzchen kriegen . Ein großer Hund reicht vollauf für eine Familie. Was würde Rata dazu sagen? Es würde ihr bestimmt nicht gefallen, wenn plötzlich eine Katze im Haus wäre.«
    »Doch. Golden Retriever mögen Katzen«, erwiderte Sam. »Das habe ich in meinem Haustierbuch gelesen.«
    Es hatte keinen Sinn, sie daran zu erinnern, wie oft Rata schon im Gebüsch verschwunden war, um einer unglücklichen Angehörigen der Familie der Feliden hinterherzujagen. Seit Sam den Plan aufgegeben hatte, ein Superheld zu werden, und das Batman-Kostüm in die hinterste Ecke seines Schrankes gewandert war, hatte er sich in eine regelrechte Leseratte verwandelt und stets irgendwelche Fakten parat, mit denen er jedes meiner Argumente widerlegen konnte.
    Ich wollte keine Katze. Ich war vermutlich nicht einmal der Typ für Katzen. Mein Mann Steve war es mit Sicherheit nicht. Wenn mich Lena kürzlich in der Spielgruppe nur nicht so angestrahlt hätte, als sie mich fragte: »Wollt ihr nicht ein Kätzchen?« Wenn sie es nur nicht so laut gesagt hätte – und das auch noch vor den Kindern.
    »Toll! Wir kriegen eine Katze!«, hatte Sam gerufen, bevor ich auch nur Piep sagen konnte.
    »Toll! Toll!«, echote Rob und hüpfte in seinen Turnschuhen mit den Löchern, die ich schon länger zu übersehen versuchte, auf und ab.
    Ich hatte Lena schon von ferne immer bewundert. Sie war eine gertenschlanke Schönheit mit einem ziemlich eigenwilligen Stil. Mit nicht einmal zwanzig war sie von Holland nach Neuseeland ausgewandert und hier eine erfolgreiche Malerin geworden, die sich in ihren Porträts stets auch mit politischen Themen wie Rassismus, Kampf der Geschlechter oder Religion auseinandersetzte. Als wahre Künstlerin hatte sie sich dafür entschieden, unabhängig vonMännern zu leben. Auf dem Spielplatz kursierte das Gerücht, dass jedes ihrer drei Kinder von einem anderen Mann stammte. Ich wäre nicht überrascht gewesen, wenn Lena ihre Sprösslinge aus irgendeinem Paralleluniversum geholt hätte, zu dem nur sie und Pablo Picasso den Zugangscode besaßen. Jedenfalls würde ich in ihrer Gegenwart kein Theater wegen einer kleinen Katze machen.
     
    Zwei Jungen großzuziehen war schwerer, als ich es mir als Schulmädchen, das seine Kenntnisse aus der Babyshampoo-Werbung im Fernsehen bezog, vorgestellt hatte. Wenn in der Disziplin Naivität bei jungen Müttern Medaillen verliehen worden wären, dann hätte ich bestimmt Gold gewonnen. Als ich, frisch verheiratet, mit neunzehn schwanger wurde, hatte ich bei dem Gedanken an Babys, die nachts aufwachten, gelächelt. Das machten nur die Babys anderer Leute. Nach Sams Geburt wurde ich rasch eines Besseren belehrt. Ich versuchte, so schnell wie möglich erwachsen zu werden. Mitternächtliche Telefonanrufe bei meiner Mutter, die vierhundert Kilometer entfernt wohnte, halfen nicht immer weiter. (»Er zahnt wahrscheinlich, mein Schätzchen.«) Glücklicherweise nahmen sich ältere, erfahrenere Mütter meiner an und führten mich freundlich und geduldig in »Mutterschaft für Anfänger« ein. Irgendwann akzeptierte ich, dass Schlaf ein Luxusgut ist und eine Mutter stets nur so
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