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Narrenturm - Roman

Narrenturm - Roman

Titel: Narrenturm - Roman
Autoren: dtv
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einer Spitze, lang und spitzig wie eine Ahle, in die Hand.
    »Achtung!«, schrie Halada. »Sie kommen!«
    »Wir sind vielleicht in eine bodenlose Scheiße gefallen.« Scharley spannte die Armbrust und legte den Bolzen ein. »Und dabei habe ich mir so viel von Ungarn versprochen. Verdammt, ich hatte einen solchen Appetit auf ein richtiges
bográcsgulyás.
«
    »Gott und Sankt Georg!«
    Die Johanniter und die Haugwitz’ rissen die Pferde herum. Und stürmten mit Geschrei auf die Wagen zu.
    »Jetzt!«, brüllte Halada. »Jetzt! Schießt! Auf sie!«
    Die Sehnen schwirrten, ein Hagel von Bolzen prasselte auf die Schilde und Rüstungen nieder. Einige Pferde stürzten, einige Reiter fielen. Die anderen drangen auf die Verteidiger ein. Die langen Lanzen erreichten ihre Ziele. Das Knirschen brechenden, splitterndernden Holzes und die Schreie der Getroffenen stiegen zum Himmel. Blut spritzte auf Reynevan, er sah, wie dicht neben ihm einer der Kutscher, durchbohrt, sich zuckend wand, wie auf der anderen Seite einer von Haladas schnellen Reitern an einer Lanzenspitze zerrte, die ihm in die Brust gedrungen war, er bemerkte, wie ein riesiger Reiter mit dem Enterhaken der Oppelner auf dem Schild einen anderen mit der Lanze aufspießte und den Blutenden in den Schnee warf. Er sah, wie Scharley schoss und den Bolzen aus nächster Nähe einem Lanzenreiter in den Hals trieb, wie Halada einemanderen mit dem Schwert Helm und Kopf spaltete, wie ein Dritter, von zwei Spießen getroffen, zwischen zwei Wagen fiel und durchbohrt starb. Ein schaumbedecktes, aufgerissenes Pferdemaul schwebte dicht über seinem Kopf, er sah das Aufblitzen eines Schwertes, ohne nachzudenken stieß er mit seinem Spieß zu, die dreikantige Spitze durchschlug etwas, bohrte sich in etwas hinein. Reynevan wäre beim Zustoßen fast gestürzt, er sah, wie der Johanniter, den er getroffen hatte, im Sattel wankte. Er verstärkte den Druck auf den Schaft, der Johanniter sank nach hinten und rief mit schwacher Stimme alle Heiligen an. Aber er fiel nicht, weil ihn eine hohe Sattellehne stützte. Einer der Waisen kam zu Hilfe und hieb mit der Hellebarde auf den Johanniter ein, die Sattellehne gab ihm keinen Halt mehr, der Ritter wurde geradezu aus dem Sattel gefegt. Fast im selben Moment erhielt der Böhme eins mit dem Streitkolben auf den Kopf, der Helm, unter dem das Blut hervorsprang, wurde ihm bis hinunter zu seinem Bart getrieben. Reynevan hieb auf den Angreifer ein, der diesen verheerenden Schlag geführt hatte, und warf ihn, einen Fluch herausschreiend, aus dem Sattel. Neben ihm fiel ein anderer vom Pferd, getroffen von Scharley. Ein Dritter sank, vom Schlag eines Beidhänders getroffen, mit der Stirn auf die Mähne seines Pferdes und färbte sie mit seinem Blut. Rings um die Wagen wurde es lichter. Die Panzerreiter zogen sich zurück, sie hatten Mühe, der wildgewordenen Pferde Herr zu werden.
    »Tüchtig!«, schrie Oldřich Halada. »Tüchtig, Brüder! Wir haben es ihnen gezeigt! Weiter so!«
    Sie standen inmitten von Blut und Leichen. Reynevan stellte erschrocken fest, dass nur noch etwa fünfzehn von ihnen am Leben waren, von denen sich vielleicht zehn überhaupt noch auf den Beinen halten konnten. Den meisten von denen, die noch stehen konnten, rann das Blut aus mehreren Wunden. Er begriff, dass sie nur deshalb noch am Leben waren, weil sich die Lanzenreiter beim Angriff gegenseitig behindert hatten,denn vor den Wagen konnten immer nur wenige kämpfen. Diese hatten für dieses Privileg bezahlt, und zwar mehr als teuer bezahlt. Die Wagen umgab ein Kreis aus Leichen und wiehernden, verletzten Pferden.
    »Bereitmachen!«, knurrte Halada. »Sie greifen gleich wieder an!«
    »Scharley?«
    »Ich lebe noch.«
    »Samson?«
    Der Riese räusperte sich, wischte sich das Blut, das aus einer Wunde auf der Stirn quoll, von den Brauen. Er war mit einem Streitkolben und einer Pavese bewaffnet, die ein künstlerisch begabter Krieger mit einem Lamm, einer Hostie im Strahlenkranz und der Inschrift BŮH PÁN NÁŠ verziert hatte.
    »Fertig machen! Sie kommen!«
    »Wir haben nicht die geringste Chance, das zu überleben!«, presste Scharley zwischen den Zähne hervor.
    »Lasciate ogni speranza.«
Samson stimmte ihm gelassen zu. »Was für ein Glück, dass ich dieses Kätzchen nicht mitgenommen habe.«
    Jemand reichte Reynevan eine Hakenbüchse   – eine kurze Kampfpause hatte den Waisen erlaubt, ein paar davon zu laden. Er stützte das Rohr auf den Wagen, hängte den Haken ein und
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