Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Narrenturm - Roman

Narrenturm - Roman

Titel: Narrenturm - Roman
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
legte die Lunte an.
    »Heiliger Geeeorg!«
    »Gott mit uns!«
    Unter dem Donnern der Hufe brandete die nächste Angriffswelle heran, von allen Seiten. Die Schusswaffen und Hakenbüchsen krachten, eine Salve aus den Armbrüsten durchdrang den Pulverdampf. Kurz darauf waren die langen Lanzen da, Blut strömte, und die markerschütternden Schreie der Getroffenen gellten. Samson rettete Reynevan, indem er ihn mit der Pavese mit der Hostie und dem Lamm schirmte. Einen Moment später rettete die Pavese Scharley aus Todesgefahr– der Riese schwang den gewaltigen Schild mit einer Hand wie einen gewöhnlichen Buckelschild, und die wuchtigen Schläge der Streitkolben wehrte er ab, als seien es Seifenblasen.
    Die Johanniter und die Haugwitz’ drangen zwischen die Wagen vor, stellten sich in die Steigbügel und schlugen mit Schwertern und Äxten, hieben mit Streitkolben mitten in das Schreien und Waffengetöse hinein. Die Hussiten fielen. Sie starben einer nach dem andern, obwohl sie sich wie Hunde in den Feind verbissen, den Lanzenreitern aus Armbrüsten und Handfeuerwaffen direkt ins Gesicht schossen, mit Spießen und Hellebarden um sich hieben und stachen, mit Streitkolben zuschlugen und mit Stangen zustachen. Die Verwundeten krochen unter die Wagen und trennten den Pferden die Fesseln durch, was den Wirrwarr, das Chaos und das Durcheinander noch vergrößerte.
    Halada sprang auf den Wagen, mit einem Schwertstreich fegte er einen Johanniter aus dem Sattel und sank dann, von einem Stich verletzt, in sich zusammen. Reynevan fing ihn auf und zog ihn fort. Zwei Schwerbewaffnete drängten sich an sie und hoben die Schwerter. Wiederum retteten ihnen Samson und BŮH PÁN NÁŠ auf der Pavese das Leben. Einer der Ritter, der die Zwingen der Zedlitz’ auf dem Schild trug, stürzte zusammen mit seinem Pferd, dem man die Fesseln durchschnitten hatte. Einem zweiten, auf einem Grauschimmel, hieb Scharley das von Halada fallen gelassene Schwert auf den Kopf. Der Helm barst, der Panzerreiter fiel nach vorn und bespritzte mit seinem Blut das
crinet.
Im selben Moment stürmte jemand auf Scharley ein und warf ihn aus dem Sattel. Reynevan stieß mit Schwung seinen Spieß nach dem Reiter, die Spitze blieb im Blech stecken. Reynevan ließ den Schaft los und duckte sich, die Panzereiter waren überall, ringsum ein Chaos von entsetzlichen spitzen Hundsgugeln, ein Blitzen von Kreuzen und Wappen auf den Schilden, ein Hagel von blitzenden Schwertern, ein Mahlstrom aus Pferdegebissen,Pferdeleibern und Hufen. Der Narrenturm, dachte er fieberhaft, das ist immer noch der Narrenturm, Wahnsinn, Verrücktheit und Irrsinn.
    Er rutschte in einer Blutlache aus und fiel hin. Auf Scharley. Scharley hatte eine Armbrust in der Hand. Er blickte Reynevan an. Und schoss. Kerzengerade nach oben. Mitten in den Leib des sich über ihm aufbäumenden Pferdes. Das Pferd schrie. Und Reynevan bekam mit dem Huf einen Schlag gegen den Kopf. Das ist das Ende, dachte er.
    »Gooott hiiilf!«, hörte er wie aus weiter Ferne, von Schmerz und Schwäche wie gelähmt.
    »Entsaaatz! Entsaaatz!«
    »Entsatz, Reinmar!«, schrie Scharley und schüttelte ihn. »Entsatz! Wir leben!«
    Er erhob sich auf alle viere. Die Welt tanzte und verschwamm vor seinen Augen. Aber die Tatsache, dass sie lebten, war nicht zu verachten. Er blinzelte.
    Vom Kampfplatz her drangen Geschrei und Waffenlärm, die Johanniter und Panzerreiter der Haugwitz’ schlugen sich mit den herbeieilenden Reitern, die in voller Rüstung waren. Der Kampf dauerte nicht lange   – schon preschte im Galopp von Westen her, aus Leibeskräften schreiend, Brázdas Reiterei heran, dahinter, noch lauter schreiend, rannten die hussitischen Reisigen mit erhobenen Dreschflegeln. Als sie dies sahen, drehten die Johanniter und die Leute der Haugwitz’ um und zeigten die Fersen, einzeln oder in Gruppen strebten sie dem Walde zu. Der Entsatz saß ihnen im Nacken, hieb und stach erbarmungslos auf sie ein, dass das Echo des Waffengeklirrs von den Hügeln hallte.
    Reynevan setzte sich auf. Er betastete seinen Kopf und seine Seiten. Er war von oben bis unten mit Blut verschmiert, aber anscheinend war es fremdes Blut. Nicht weit davon, immer noch mit seiner Pavese in der Hand, saß Samson Honig, gegen einen Wagen gelehnt, mit blutigem Kopf, dicke Tropfen fielen aus seinem Ohr auf die Schulter. Ein paar Hussiten wälzten sich aufder Erde. Einer weinte. Ein anderer erbrach sich. Einer zog mit den Zähnen an einem Riemen und versuchte das Blut
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher