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Nähte im Fleisch - Horror Factory ; 17

Nähte im Fleisch - Horror Factory ; 17

Titel: Nähte im Fleisch - Horror Factory ; 17
Autoren: Bastei Lübbe
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anderen Faust ragte ein Amputationsmesser. Ehe ich reagieren konnte, trennte er mir mit einem raschen, kraftvollen Schnitt den Daumen ab.«
    Kai fehlten die Worte.
    Dann jedoch, während der nun folgenden Minute beiderseitigen Schweigens, drang Leikarts letzte Bemerkung über die Geister in sein Bewusstsein vor.
    Wir können sie lediglich belauschen.
    »Heute auf der Leiter …«, begann er misstrauisch. »Was haben Sie da mit dem Stethoskop getrieben?«
    Als Antwort fuhr Leikart den Computer hoch. Dann holte er das zerschmetterte Stethoskop aus der Kitteltasche und fummelte die Speicherkarte aus den Überresten hervor.
    »Sieht intakt aus …« Er schob sie in den entsprechenden Schlitz des PCs und stülpte sich einen Kopfhörer über. Nachdem er eine Minute lang auf der Tastatur herumgetippt hatte, frage er: »Sind Sie bereit?«
    Unsicher, was ihn erwarten würde, nickte Kai.
    Leikart stellte die Lautsprecher an.
    Die Aufnahme erklang, und Kai war plötzlich hellwach.
    »…lafenszeit, Frau Brohka…«
    Eine weibliche Stimme. Das Gesagte wurde unverständlich, und kurz darauf erklang die Stimme einer anderen, jüngeren Frau.
    »… will einen Arzt sprech…«
    Kai zuckte zusammen.
    Annika!
    Das war ihre Stimme!
    Eine Gänsehaut kroch ihm über den Rücken.
    Dann erklang wieder die erste Stimme:
    »… keine Sorg…«
    Darauf folgten eigentümliche Störgeräusche und abgehackte, wie aus unendlicher Ferne tönende Sprechlaute, die unverständlich blieben. Dann erklang die fremde Stimme mit vier klar vernehmbaren Silben:
    »…leicht ist die Zys…«
    Darauf folgte erneut Störungsrauschen. Es hielt mehrere Herzschläge lang an und mündete in einen sekundenkurzen, gellenden Diskant. Der Gipfelpunkt eines Schreis, ausgestoßen von einer Frau in höchster Angst. Oder war es ein einzelner Ton aus einem Anfall kreischenden Gelächters?
    Kai verlor die Nerven. So verhielt sich niemand, der nur einen geschmacklosen Scherz trieb … Er ballte die Fäuste und brüllte: »Ich werde meine Freundin aus dieser Klinik rausholen! Mit oder ohne Ihre Hilfe!«
    Leikart zog die Schreibtischschublade auf und fragte aufreizend ruhig: »Wissen Sie, was Richard Selzer, der berühmte Chirurg und Autor der Bekenntnisse eines Messers, über sein Werkzeug schreibt?«
    Dr. Leikart nahm ein blitzendes Skalpell aus der Schublade. Während er es mit glänzenden Augen betrachtete, zitierte er frei : »Man hält das Messer so, wie man den Bogen eines Cellos hält … oder eine Tulpe: am unteren Ende. Nicht grob gepackt oder fest in der Faust … sondern locker zwischen den Fingerspitzen. Das Messer benötigt keinen Druck … sanft wird es über die Fläche der Haut gezogen. Das Fleisch teilt sich, klafft auf, gelbes Fett kommt zum Vorschein …«
    Leikart blickte auf seine daumenlose rechte Hand, die das Skalpell mit den verbliebenen Fingern plump umkrallte. Sein Gesicht verzerrte sich. Einen erbitterten Laut ausstoßend, rammte er die Skalpellspitze in das Holz der Schreibtischplatte.
    Abermals langte er in die Schublade. »Für mich passt nur noch grobes Werkzeug.«
    Als er die verstümmelte Faust hervorzog, umklammerte sie den Griff eines langen Metzgermessers. Er drehte die Klinge, bis sie das Licht der Tischlampe einfing, und lenkte den Strahl in Kais Augen.
    Kai blinzelte und wandte das Gesicht ab. »Was soll der Scheiß?«
    »Du weißt zu viel.«
    Kais Atem stockte. »Aber Sie haben es mir doch selbst erzählt!«
    »Du wusstest schon vorher zu viel. Schon bevor du mich getroffen hast. Aber ich hätte es unfair gefunden, dir die restlichen Gänge des Menüs vorzuenthalten. Deiner geistigen Henkersmahlzeit.«
    Jetzt stockte auch Kais Blut.
    Ihm blieb keine Zeit, etwas zu sagen oder auch nur einen Gedanken zu fassen. Leikart machte einen Satz in Kais Richtung und stieß mit dem Messer zu.
    Kai entging der Klinge mit einer raschen Seitwärtsdrehung. Aber der Schwung brachte ihn aus der Balance. Er taumelte, und die Messerschneide fuhr herab. Einen Fingerbreit vor seinem Gesicht zerteilte sie die Luft.
    Kai wirbelte herum und versetzte Leikart einen ungelenken Faustschlag in die Nierengegend. Der Arzt ächzte und hieb wild nach Kais Hand. Kai schrie auf. Sein Handrücken brannte wie Feuer.
    Er trat gegen Leikarts Knie, sein Gegner geriet ins Wanken. Kai sprang außer Reichweite des Messers. Er stemmte sich gegen einen der Laborschränke, die Leikarts Geheimversteck abschirmten. Das schwere Möbel kippte. Es knallte gegen Leikarts Schulter,
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