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Nähte im Fleisch - Horror Factory ; 17

Nähte im Fleisch - Horror Factory ; 17

Titel: Nähte im Fleisch - Horror Factory ; 17
Autoren: Bastei Lübbe
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Bräuten! Zum Schluss hängte sie das Foto an die Nachricht und schickte sie ab.
    Annika hatte sich darauf gefreut, heute Abend zusammen mit Kai zur Halloweenparty im Cineplex zu gehen. In ihr »Sexy Alien«-Kostüm hatte sie viel Geld und noch mehr Mühe investiert. Natasha Henstridge hätte sie damit zwar nicht ausgestochen. Aber Stielaugen wären den Vampiren, Werwölfen, Axtmördern und Leichenfressern dennoch gewachsen. Leider war der OP-Termin dazwischengekommen.
    Auf der Anzeigentafel wurden neue Nummern aufgerufen.
    Nr. 40 –> Kabine 6.
    Nr. 41 –> Kabine 2.
    Nr. 42 –> Kabine 8.
    Annika sah, wie fast zeitgleich eine Mutter mit Kind, ein Mann auf Krücken und eine dicke Frau aufstanden.
    Sie hatte gar nicht darauf geachtet, wie ihre eigene Wartenummer lautete. Annika fischte den Zettel aus der Hosentasche, den sie am Automaten gezogen hatte. Als sie die Nummer las, stutzte sie.
    14/855
    Das musste ein Fehler sein …
    Doch in diesem Augenblick erklang der Signalton, und die nächste Nummer erschien auf der Tafel.
    Nr. 14/855 -› Kabine 11.
    Überrascht klaubte Annika ihren Rucksack auf und eilte zur hintersten Anmeldekabine. Die Kabine war eine schmale Box vor einem Tresen. Die Seitenwände sollten Diskretion gewährleisten. Annika ließ sich auf dem bereitstehenden Stuhl nieder.
    Die andere Seite des Tresens nahm eine Krankenhausangestellte ein. Sie hockte abgewandt von Annika vor dem Computer und starrte den Bildschirm an.
    »Guten Tag!«, grüßte Annika. »Mein Name ist Annika Brohkamp, und ich soll mich um 8:00 Uhr stationär in der Frauenklinik einfinden.« Sie fummelte die Einbestellung aus dem Rucksack, die das Krankenhaus geschickt hatte, und schob sie über den Tresen.
    Die Frau am Computer rührte sich nicht. Ihr Profil war vollständig von den fettigen Haaren verdeckt, die wie ein dichter, dunkler Vorhang über Schläfe, Wange und Hals fielen.
    Annika erwartete, dass sie ihre Krankenversicherungskarte vorlegen und Aufnahmeformulare unterschreiben musste. Stattdessen sagte die Angestellte mit heiserer, tonloser Stimme: »Gehen Sie zu den Aufzügen. Knotenpunkt B. Station 3.34.«
    Annikas Blick fiel auf die Hände der Sprecherin. Sie waren in halb transparente Einweghandschuhe eingepellt. Eng wie eine zweite Haut umschmiegte das Latex die langen bleifarbenen Fingernägel und die gelblichen Geschwüre auf den Handrücken. Ohne sich zu bewegen, ruhten die Hände vor der Tastatur des Computers.
    »Station 3.34. Sie werden erwartet«, wiederholte die Frau, ohne ihre Haltung zu verändern. Ihr Gesicht blieb hinter den Haarsträhnen verborgen.
    Annika erhob sich hastig. Sie kämpfte ihren Ekel nieder. Heute war der 31. Oktober. Wahrscheinlich hatte die Klinikverwaltung dem Personal erlaubt, sich zu kostümieren. Feinfühlig war das nicht, wenn man bedachte, wie viele Patienten ein Krankenhaus ohnehin schon widerwillig und voller Angst betraten.
    Als die Anmeldekabine bereits ein Dutzend Schritte hinter ihr lag, warf Annika einen Blick zurück. Aber der Platz vor dem Computer war leer. Die kostümierte Mitarbeiterin war verschwunden.
    Fast glaubte Annika, nicht durch ein Krankenhaus zu laufen, sondern eine elegante Innenstadtpassage zu durchqueren. Den Patienten, ihren Besuchern und dem Personal standen ein Lebensmittelgeschäft, eine Buchhandlung und ein Blumenladen zur Verfügung. Ebenso ein Café, ein Bistro, ein Friseur und eine Sparkasse – um nur eine Auswahl zu nennen. Der gesamte Klinik-Komplex musste riesig sein: eine Stadt in der Stadt, ein autarkes Getto der Kranken und der Heiler.
    Dann stand sie am Knotenpunkt B vor den Aufzugstüren. Die breiten Türen gehörten zu den geräumigen Bettenaufzügen und durften laut Beschilderung nur vom Personal benutzt werden.
    Annika stellte sich vor eine der schmaleren Türen und drückte die Ruftaste mit dem »Aufwärts«-Symbol. Der nach oben weisende Pfeil über der Lifttür begann zu leuchten.
    »Fahren sie hoch?« Ein Mädchen mit eingegipstem Bein, das sich auf Gehhilfen fortbewegte, war neben Annika vor dem Aufzug stehen geblieben.
    Die Frage war überflüssig, aber Annika nickte. »In den dritten Stock.«
    Endlich wechselte der Pfeil über der Lifttür von Rot zu Grün, und die Türhälften glitten auseinander. Mehrere Patienten und ein weiß bekittelter Arzt strömten heraus. Annika wartete, bis der Aufzug leer war. Dann betrat sie die Kabine und hielt die Türöffnungs-Taste gedrückt, damit das Mädchen mit dem Gipsbein genügend Zeit fand
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